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Fraktale als Ideengeber für Kreativität Eine Einführung
mit Beispielen 1.1. deterministisches Chaos und dynamische Systeme Die Chaostheorie ist ein relativ junges Feld in der Mathematik und Physik. Sie kam erst vor ungefähr 20 Jahren auf. Obwohl sich jeder unter dem Begriff Chaos etwas vorstellen kann (vielleicht sogar sehr persönliche Erfahrungen damit hat), ist die Bedeutung hier etwas differenzierter. Systeme werden als chaotisch bezeichnet, wenn die wirkenden Gesetze und Kräfte bekannt sind, das dynamische System (ist in Aktion) aber dennoch unvorhersagbar bleibt. Ein gutes Beispiel ist das Wetter. Wir wissen heutzutage relativ gut, was für Prozesse in der Atmosphäre ablaufen (Gesetzmäßigkeiten) und können auch die momentane Wettersituation gut bestimmen (Anfangsbedingung), aber wir können trotzdem keine verläßliche Vorhersage über längere Zeit machen. Hingegen ist zum Beispiel ein Vorhersagen von Ebbe und Flut über Jahrzehnte möglich. Solche dynamischen Systeme haben also das Merkmal, daß die kleinste Veränderung in den Ausgangsbedingungen unverhersagbare Veränderungen im Ablauf verursacht. Die Physik ging früher davon aus, und das ist auch heute noch die allgemeine Auffassung, man müsste nur mit sehr genaue Werten rechnen, um etwas vorhersagen zu können. Wie jeder aus dem Alltag weiß, läuft aber vieles nicht so, wie es berechnet wurde (Sprichwort: Du machst Physik, wenn nichts klappt). Eine schon fast philosophische Aussage der Chaostheorie ist, daß bestimmte Vorgänge sich jeglicher Berechnung entziehen und es nicht nur eine Frage der Genauigkeit ist, ihr weiteres Verhalten vorherzuberechnen. Das liegt darin begründet, daß es unmöglich ist, die Ausgangsbedingungen unendlich genau zu bestimmen (also so, wie sie wirklich sind). Chaotische Systeme reagieren aber auf diese kleinsten Veränderungen. Der Begriff deterministisches Chaos als paradoxe Kombination aus festgelegt, bestimmt (deterministisch) und unvorhersagbar, unkontrolliert (Chaos) drückt genau das aus. Wenn Sie zu Hause einen alten Wasserhahn haben, der "gut tropft" (neue Wasserhähne tropfen nur mit sehr viel Einstellmühe), können Sie ein kleines Experiment machen (achten Sie darauf, das Sie niemand beim Anstarren des tropfenden Wasserhahns erwischt): Drehen Sie den Hahn ein bißchen auf, so daß er langsam tropft. Es entsteht ein regelmäßiges Tropfen. Geben Sie nun etwas mehr Wasser, die Frequenz wird höher. Wenn Sie nun langsam immer mehr aufdrehen, kommt irgendwann ein Punkt an dem der regelmäßige Rhythmus ganz plötzlich in ein unkoordiniertes Tropfen und Fließen ohne jedes System umschlägt. Also Chaos. Selbst die besten und schnellsten Computer, gefüttert mit den laserabgemessenen Maßen Ihres Wasserhahns, könnten die Art dieses Tropfen nicht vorherberechnen. 1.2. Fraktale an Beispielen Fraktale sind nun die "Geometrie des Chaos", wobei unter Chaos immer noch ein solches deterministisches Chaos zu verstehen ist, wie es eben beschrieben wurde. Die Formeln, die diese Fraktale produzieren, verhalten sich auch chaotisch. Für bestimmte Anfangswerte springen die Algorithmuswerte chaotisch hin und her, wie bei der Tropffrequenz Ihres Wasserhahns. Ein Beispiel: Wir nehmen eine einfache rekursive Formel, wo das Ergebnis immer wieder in die Formel eingesetzt wird:
Nehmen wir an, diese Formel macht eine Aussage über das Tropfen Ihres Wasserhahns (nur eine Annahme), nämlich ob dieses chaotisch ist oder nicht. Der Parameter c steht dabei für die Einstellung des Wasserhahns. Für unterschiedliche Werte c wird nun durchprobiert, wie sich die Formel verhält (wie der Wasserhahn tropft). Alle die c's, bei denen die Formelergebnisse nicht gegen unendlich streben, werden als Punkt im Koordinatensystem geplottet. (z.B.: c=-1,9) Wenn Sie das ganze mathematische Drumherum vergessen, können Sie sich auch an dem Ergebnis, genannt Mandelbrotmenge (nach dem Entdecker Benoit Mandelbrot) oder auch liebevoll Apfelmännchen, erfreuen (siehe rechts, das Schwarze ist die Menge aller nicht gegen unendlich strebenden c's, die farblichen Abstufungen entstehen ebenfalls durch Berechnung). 1.3. Eigenschaften von Fraktalen
Zum zweiten sind Fraktale sehr ästhetisch. Ich glaube, daß noch kein anderes mathematisches Thema so viel Öffentlichkeit angezogen hat, weil viele diese bunten Bildchen mit Fraktalen schon mal gesehen haben und sie schön finden. Was sieht in der Mathematik sonst noch schön aus? Vielleicht ein Paar Beispiele von Fraktalen. Jedes dieser Fraktale wurde von einem trockenen Algorithmus produziert :
Fraktale sind auch interessant
Aufgrund der Eigenschaften von Fraktalen und der besonderen Verbindung zur realen Welt ist die Idee, diese mathematischen Bilder mit Kunst zu verbinden, naheliegend. Ein neues Feld der modernen Musik ist die Fraktale Musik. Sie stellt die Verbindung zwischen den Bildern und der Musik her. 2.1. Fraktale Variation eines Musikstücks Diese erste Möglichkeit, Musik mit Fraktalen zu verbinden, wurde von der amerikanischen Konzertpianistin Diana Dabby, damals Student am Massachusetts Institute of Technology (MIT) entworfen. Ausgangspunkt war der Lorenzattraktor, der mit unterschiedlichen Parameterwerten ein anderes Aussehen hatte. Wie sah das nun praktisch aus? Da sich der Lorenz-Attraktor in einem Koordinatensystem befindet, besitzt jeder Punkt logischerweise auch eine x-Koordinate. Nun wird einfach die Tönhöhe der einzelnen Noten eines Musikstücks zu einem speziellen Bereich von x-Werten zugeordnet. Die Punkte des Lorenz-Attraktors korrespondieren nun mit den Tonhöhen. Wenn nun der Attraktor geringfügig durch andere Ausgangsparameter abgeändert wird, verändern sich auch die korrespondierenden Tonhöhen. Dabby wählte als Musikstück das Präludium in C des Wohltemperierten Klaviers 1 von Bach. Die Variationen klingen erstaunlicherweise nicht zufällig, sondern scheinen "musikalisch gedacht" zu sein. Das ist natürlich ungewöhnlich, weil sie nur durch die Variation eines mathematischen Gebildes gewonnen wurden. Hier sieht man wieder die erstaunliche Verbindung zu realen Welt.
2.2. Fraktal-produzierte Musik Wenn man diese Art der fraktalen Musik hört, dann kann es für einen Laien schon relativ schwierig sein, ihr etwas abzugewinnen. Allerdings ist dies bei moderner klassischer Musik ähnlich. In der Tat erscheint fraktale Musik vielen genauso innovativ wie andere moderne Musik. Natürlich liegt hier nicht der Schwerpunkt auf Harmonien, sondern auf Effekten. Die Übergänge zur fraktalen Musik als Ausgang für Eigene Kompositionen (Punkt 2.3.) sind fließend, weil es immer darauf ankommt, inwieweit ein Mensch dem Algorithmus freie Hand läßt, oder die Ergebnisse mehr mir seiner eigenen Intention kombiniert. Auch diese fraktale Musik kann so entstehen, daß einem x-Bereich ein bestimmter Ton zugeordnet ist. Wenn nun die Punkte eines Fraktals nacheinander geplottet werden, wird je nachdem, in welchen x-Abschnitt der Punkt erscheint, der entsprechende Ton erklingen. Man kann natürlich auch die y-Achse mit Tonabschnitten versehen, außerdem kann durch die Anordnung der Töne Einfluß auf das Resultat genommen werden. Es gibt auch noch andere Möglichkeiten, fraktale Musik zu produzieren, diese soll hier aber genügen. Hier ein paar Beispiele von Martin Gürtner. Resultierend aus der Kompositionsart sind sie relativ abstrakt.
2.3. Fraktale Musik als Ausgang für eigene Kompositionen Diese Art ist wohl die kreativste, weil der Komponist fraktale Melodien (enstanden wie in 2.2 ) zu seinen eigenen Ideen verarbeitet. Das Schlagwort "der Computer als Komponist" ist hier sicher fehl am Platze, da es viel schwerer ist, eine gegebene Melodie zu untermalen, und ein den eigenen Vorstellungen entsprechendes Ergebnis zu schaffen, als wenn man sich eine eigene Melodie vorgeben würde. Bei dem Kompositionsprozeß merkt man, daß sich fraktale Melodien besonders eignen, da sie sehr frei sind, kaum Konventionen der herkömmlichen Harmonievorstellung folgen, und damit zu innovativen Akkordverbindungen anregen, was auch gleichzeitig die Schwierigkeit ist. Denn eine starre Harmonik wird an der Dynamik der fraktalen Melodie brechen. Um dies zu untermalen, habe ich eine kurzes zweitaktiges Motiv von etwas jazzigen, unkonventionellen Akkorden gesetzt. Das Motiv kann natürlich nicht im kadenziellen Stil sein kann, denn die fraktale Musik läßt sich, wie gesagt, nicht so leicht in eine bestimmte Tonalität pressen. Über diese freie Akkordfolge läuft nun die fraktale Melodie, während das Motiv aus Akkorden immer wiederholt wird, und durch die verschiedensten Tasteninstrumente geht. Im Zeitalter des Rhythmus muß schon noch ein bißchen Schlagzeug drunter, so daß es etwas mehr nach Pop klingt. Dieses Schema der fraktalen Melodie über gleichbleibender Harmonik wird mit zwei unterschiedlichen Akkordfolgen ausgeführt.
Als zweites Beispiel möchte ich einmal den Kompositionsprozess einer noch weiter vom eigentlichen fraktalen Grundmaterial entfernten Komposition darstellen.
Im letzten Beispiel sieht man, daß die eigentliche
fraktale Musik nur als Anregung dient. Sie ist Ideengeber. Ich glaube,
daß einen fraktale Musik an sich zwar erstaunlich komplex ist, aber
von dem kreativen Schaffensprozeß eines Menschen noch entfernt ist.
Aber sie kann interessante Anstöße für eigene Kompositionen geben.
Die Musik aus dem Algorithmus erhebt für sich keinen Anspruch auf
Kunst, die Frage ist aber, was wir in dieser Musik sehen
und sehen können. |
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