
Hajo von Hadeln
Mein Name ist Bond, James Bond
Abstract: 35 Jahre James Bond
im Kino und kein Ende abzusehen. Der bekannteste und erfolgreichste
Filmspion der Welt schießt und liebt sich ins nächste Jahrtausend.
Auch dieses Jahr wird der britische Geheimagent in "Tomorrow never dies"
wieder auf der Leinwand zu sehen sein. Ein Teil der Zutaten, die Handlungsstruktur
zu diesem altbewährten, gut geschüttelten Konzept, sei nachfolgend
aufgeführt. Darüberhinaus geht es um einen Versuch, seine
Popularität zu erklären, sowie um einen Ausblick in die Zukunft
des Agenten.
Das Kochrezept der James Bond Filme, Zutaten des Erfolges
Die Handlungsstrukturen der Filme unterscheiden sich kaum. Es ist eine
Aneinanderreihung immer wiederkehrender Standardsituationen und Standardfiguren
in z.T. variierter Reihenfolge. Dies sei exemplarisch an "Moonraker"
(GB 1979) dargestellt, um dann übergreifend eine durchgängig
gültige Struktur, das Kochrezept für alle Bond Filme, aufzustellen.
Inhalt "Moonraker"
Ein Moonraker Space-Shuttle wird entführt. Bond wird auf den Mutimillionär
Drax angesetzt. Er entdeckt mit Unterstützung der CIA-Agentin Good-head
Draxs eigentlichen Plan: die Eliminierung der Weltbevölkerung und
den Aufbau einer neuen Menschenrasse im Weltraum. Goodhead und Bond
gelangen eben dorthin, verhindern die Pläne des Verbrechers, töten
ihn und kehren wohlbehalten zurück.
Aufbau Moonraker
Hauptquartier/London: Diskussion von M, Q, und 007 mit dem Verteidigungsminister
über das "Moonraker-Hijacking". Übergabe von Spezialwaffe
an Bond.
Schauplatzwechsel/Los Angeles: Treffen mit Drax in seinem
Schloß. Auftrag von Drax den unliebsamen Agenten zu töten,
was mißlingt. Kurzes Zusammentreffen mit Goodhead. Verführung
einer Angestellten um Informationen zu erhalten, darauffolgende Exekution
derselben im Auftrag von Drax.
Schauplatzwechsel/Venedig: Kurzes Zusammentreffen mit
Goodhead. Weiteres Attentat auf Bond. Entdeckung eines Labors mit Giftgas.
Weiterer Anschlag. Töten eines Leibwächters von Drax.
Schauplatzwechsel/Rio de Janeiro: Sex mit ihm anvertrauter
Agentin. Weitere Kämpfe mit Drax' Schergen.
Schauplatzwechsel/Argentinien: Treffen mit M, Q, und Moneypenny.
Herkunft des Giftes wird geklärt.
Schauplatzwechsel/Dschungel/Basis-lager: Gefangennahme
von Bond und Goodhead. Drax erklärt seinen Plan. Befreiung, Flug
in den Weltraum: erneute Gefangennahme, erneute Befreiung der beiden.
Letzter Kampf, Bond tötet Drax und vernichtet die Giftgasbehälter.
Sex mit Goodhead.
So oder so ähnlich springt, fliegt und schläft
sich der Agent ihrer Majestät durch alle seine Abenteuer. Eine
übergreifende Rezeptur für die Statik der Bond Filme und die
Devise Form statt Inhalt läßt sich folgendermaßen darstellen.
Die Innenwelt, der Secret-Service, der Auftrag:
Das Vorzimmer: "Moneypenny" (die Sekretärin). Das Büro: "M"
(der Chef), der Aufrag (finden, zerstören, zurückkehren).
Die Waffenkammer: "Q" (der Waffenmeister) stattet Bond mit tödlichen
Werkzeugen aus.
Die Außenwelt mit ihren diversen Schauplätzen
und Figuren:
Erste, meist friedvolle Begegnung mit dem Bösewicht, eventuell
durch eine Mittlerfigur. Erste Lektion für Bond durch Verbrecher
oder vice versa. Frau tritt in Bonds Leben. Verführung der Frau(en).
Opfertod einer dem Helden und dem Zuschauer bekannten/geliebten Figur.
Gefangennahme von Bond und der Frau.
Countdown und Endschlacht:
In der Endschlacht Töten des Verbrechers, Zerstörung seiner
Festung. Paralell dazu Kampf gegen die Zeit, gegen ein vom Verbrecher
verhängtes Ultimatum. Bond führt einen permanenten Kampf gegen
einen Countdown. Er gewinnt diesen Wettlauf in den letzten Sekunden.
Befreiung der Frau. Sex mit derselben. Abspann mit dem Versprechen "James
Bond will return" und dem dazugehörigen Titel des nächsten
Films.
Eine weiterführende Reduktion der Bond-Plots wäre
die von Bordwell vorgeschlagene Zweiteilung von zwei parallel verlaufenden
Handlungssträngen. Die Liebessaffäre von Mann und Frau sowie
die Arbeit, die jemand verrichtet, die getan werden muß. Diese
beiden Handlungsstränge geraten ständig in Berührung.
Bei Bond münden beide in eine Zerstörung. Ziel seiner Arbeit
ist es, das "Böse" zu bekämpfen, möglichst zu zerstören,
und seine Liebesaffären müssen zwangsläufig scheitern,
da er sie, als Archetyp des Helden, niemals länger aufrechterhalten
darf.
Der Erfolg der Bond-Filme ist z.T., wenn auch nicht nur,
auf die Wiederholung eines gewohnten Schemas, das Bekannte der Figuren,
der Situationen und sogar des Ausgangs zurückzuführen. Die
Wiederkehr, Redundanz und die Formelhaftigkeit der gleichen Elemente
und Figuren scheint eine Motivation zu sein, sich immer wieder neue
James Bond Filme anzusehen, ähnlich den heutigen Sitcoms. Die Grundlage
hierfür bilden die Strukturen von Heftserien mit jeweils abgeschlossenen
Handlungen. Hier wie dort basiert das Prinzip auf der Einführung
eines gleichbleibenden Helden mit gleichbleibendem Handlungsschema als
kohärenter Struktur. Zum permanenten Konsum der Serie reizt, den
Helden nach bekanntem Schema und mit vertrauten Spielregeln ständig
neuen Abenteuern ausgesetzt zu sehen, die immer wieder die alten sind.
Der Held, den gesellschaftlichen Zusammenhängen und lebensphilosophischen
Fragen entrückt, bietet in einer undurchsichtigen und verwirrenden
Zeit das Bild einer den Überblick bewahrenden, erfolgreich handelnden
Figur, die sich für die Rechtfertigung oder die Konsequenzen ihres
Tuns nicht interessiert. Bei den Bond Filmen aber ist eine kritische
Betrachtung dieser Art nicht mehr angebracht. Spätestens seit "Goldfinger"
(GB 1964) begleitet der Humor, die ständigen selbstparodistischen
Züge des Geschehens und der Hauptfigur, wodurch die Filme bisweilen
wie ein gigantisches Kasperle-Theater fern jeder Realität erscheinen,
was ihnen jegliche Glaubwürdigkeit nimmt und sie so außerhalb
jeglicher ideologischer Kritik stehen läßt.
"Bond ist so erfolgreich, weil er ständig an die
Instinkte appelliert, die wir am liebsten angesprochen fühlen und
uns dabei die Illusion läßt, es wären nicht die niedersten."
(No one comes close to James Bond, Scheingraber 1981)
Warum so populär, ein Versuch
Es sind die immergleichen, jahrhundertealten Geschichten des Guten gegen
das Böse herübertransportiert in unser technologisches Zeitalter.
Mit technischen Spielereien und Erkennungsmelodie aufgeblasene Märchen
für Kinder und Erwachsene ohne Betroffenheitsmentalität und
moralinsaure, erhobene Zeigefinger. Die Bond-Filme sind Familien-Kino,
"Popcorn-Movies" von der Freiwilligen Selbstkontrolle (FSK) ab 12 Jahren
freigegeben, ohne explizite Sex- und Gewaltszenen, ohne Blut und nackte
Brüste. Der Held dieser Filme hat keine übermenschlichen Kräfte
wie Superman alias Clark Kent (von dem heutzutage auch keiner mehr spricht).
Er braucht keine Verkleidung wie Batman alias Bruce Wayne. Er ist auf
keine zusätzlichen Super-, Spider-. Bat-Attribute angewiesen. Er
bewegt sich außerhalb purer Science-Fiction, in der alles möglich
ist. Bond bedarf keines geheimen Doppellebens, um überdimensionale
Verbrecher zu jagen. Bond ist auch nicht Sean Connery oder Roger Moore
und wie sie alle noch heißen werden. Er hat sich als Figur verselbständigt.
Er ist der "White-Collar"-Spion, "Dressed to kill", der "Suited Hero",
der die schwitzende Kompanie sämtlicher Action-Helden mit britischem
Humor und Selbstparodie hinter sich läßt. Bond wird sowohl
von den Männern wie von den Frauen geschätzt. Er ist auf jedem
Gebiet "up-to-date" mit der passenden Antwort auf jedwede Frage. Er
darf ehelosen Sex zum eigenen Vergnügen oder fürs Vaterland
vollführen und ist damit anderen keimfreien Jugendidolen wie Old
Shatterhand oder Winnetou in punkto Genuß weit voraus... Wie sollen
andere Agenten neben Bond bestehen? Es gibt keine vergleichbare Figur,
und ihn zu parodieren fällt schwer, denn eine Parodie einer Parodie
anzufertigen, ist sinnlos. 007 ist mit seinen Martini-Cocktais, den
unzähligen Frauen und der ganzen "larger than life"-Atmosphäre
soweit von der Realität entfernt, daß er außer Konkurrenz
steht, stets das Unmögliche möglich macht, mit einem Augenzwinkern
die Welt rettet und uns aus dem Alltag.
Ausblick
Obwohl jedem bewußt ist, daß Bond niemals ernsthaft verletzt
wird, ist man gebannt. Es geht um die Umsetzung, das Szenario, die Inszenierung.
Nicht der Ausgang oder gar die Geschichte/der Plot entscheidet, sondern
allein die Umsetzung der gleichbleibenden Geschichte, das "wie". Dieses
Phänomen scheint vergleichbar mit den zahlreichen Einspielungen
von Beethovens Fünfter. Dem fast unendlich oft gehörten Anfang
können wir uns trotzdem nicht entziehen, er hat eine Wirkung auf
den Zuhörer, man ist "drinnen", auch wenn man vielleicht nicht
will. Der triolische Rhythmus zieht einen eben doch in seinen Bann.
Mit einem guten Dirigenten, einem guten Orchester, herausragender Tonqualität
und der richtigen Vermarktung läßt sich eine gleichbleibende
Komposition immer noch gut verkaufen. Die Bond-Filme und Beethovens
Fünfte scheinen etwas gemeinsam zu haben: Beide lassen sich durch
inspirierte Interpretationen des gleichen Themas vergleichen. Mit einem
guten Regisseur, einem guten Stab, hohem Qualitätsanspruch und
ebenso guter Vermarktung könnte der Erfolg für die Zukunft
garantiert sein. Falls nicht, ist eine Neuinszenierung nötig. Der
Techno-Bond im Cyberspace. Quentin Tarantino als Regiesseur, Duke Nukem
als Verbündeter, die Rettung vor dem drohenden Ozonloch gegen den
allgegenwärtigen Superverbrecher Dr. Internet.

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