Batman


Alexander Kolerus

Batman Begins

Mythos – Narrative Überlieferung aus einer vorschriftlichen Epoche; auch: Form eines vorrationalen Weltverständnisses. [...] In der fortlaufenden Tradierung und Rezeption entstehen zahlreiche Varianten, die unterschiedliche diskursive Funktionen erfüllen.
(Reallexikon Literaturwissenschaft)

It’s not what I’m within. It’s what I do that defines me.
(Batman, Comic-Held)


Dass Comic-Strips die Mythen des zwanzigsten Jahrhunderts generieren, ist ja längst ein Gemeinplatz. Aber was hat es eigentlich damit auf sich? Haben Superman, Spiderman & Co. wirklich etwas mit so erhabenen Gestalten wie Odysseus zu schaffen? Das Wesentliche am Mythos – so lässt sich wohl möglichst allgemein formulieren – ist, dass er sich verändert. Wir nehmen uns also am besten denjenigen Comic-Helden vor, der sich über die Jahre am stärksten gewandelt hat, und das ist definitiv Batman. Seine Karriere macht uns zu staunenden Zeugen eines ewigen Katz- und Fledermausspiels, das der geflügelte Held seit Jahrzehnten mit seinen Erzählern veranstaltet. Während diese nämlich ohne Unterlass versuchen, das Phänomen Batman in einen logisch abgeschlossenen und vor allem letztgültigen narrativen Rahmen zu pressen, erweist sich die Fledermaus als im Grunde ihrer Existenz einfach zu irrational, um auf diese billige Art domestiziert zu werden. Das liegt wohl in erster Linie daran, dass niemand weiß, wie der Grund dieser Existenz eigentlich genau aussieht – und zumindest das trifft prinzipiell auch auf Mythen älteren Datums zu. An „den“ Mythos oder „das Wesentliche“ im Mythos kommt man ärgerlicherweise nie heran, weil es keinen allgemeinverbindlichen Originaltext zu finden oder auch nur zu suchen gibt. Eigenschaften und Funktionsweisen eines vorschriftlichen antiken Mythos sind von daher nur hypothetisch rekonstruierbar. (RL) Das wirft die zusätzliche Problematik auf, dass ein ausgebildeter Literaturwissenschaftler genau genommen der letzte ist, der sich mit dem Phänomen des vorschriftlichen Denkens zu befassen hat, denn Was und auf welche Weise in solchem Denken 'mythisiert’ wird, können anthropologische oder psychologische, nicht aber literaturwissenschaftliche Formen ermitteln. (RL)

Da ich trotzdem vorhabe, hier zu ermitteln, müssen wir uns zunächst der unbequemen Tatsache stellen, dass jede Erzählstrecke, die den Anforderungen des philologischen Fachs eine Nase dreht, prinzipiell unter Mythosverdacht steht.

Und schon öffnet sich ein analytischer Einstieg. Die ersten Batman-Comics aus den 40er Jahren sind nämlich so unglaublich schlecht erzählt, dass nicht mal ein BRAVO-Redakteur darauf kommen würde, darüber einen Artikel zu schreiben. Lesen will man das Zeug auch nicht wirklich: die im langjährigen literaturwissenschaftlichen Studium beharrlich erworbene Leseausdauer erlahmt bereits nach wenigen Seiten – außer, man weiss nichts von Erzähltheorie, ist 9 Jahre alt und ohnehin von schwerem Asthma ans Bett gefesselt, so wie damals Dick Giordano – Batman-Fan der ersten Stunde und späterer Zeichner –, der dann 1988 in reiferem Alter und zum fünfzigjährigen Geburtstag der legendären Fledermaus die Einführung zu der aufschlussreichen Kompilation The Greatest Batman Stories Ever Told schreiben sollte. In seinem Bericht werden wir zu Zeugen eines historischen Ereignisses im Jahre 1939: die Wirkung des ersten Batman-Comics auf ein bis dahin unbehelligtes Kindergehirn:

The comic book I held in my hand was special. It contained a story about a crimefighter I’d never seen before, one with a cape and a mask and a dark look to him, not at all like Superman or any of the other super-heroes I had read. It was my very first exposure to The Batman. It was a special day in my life, although I surely didn’t realize how special at the time.

Die Einfalt der Analyse entspricht der narrativen Finesse der ersten Batman-Strips. Der im Geburtsjahr 1939 des Fledermausmanns in Detective Comics 31 und 32 (die allererste Folge war kurz zuvor in Nummer 27 erschienen) abgedruckte Zweiteiler Batman versus the Vampire etwa erzählt folgende Geschichte: Batman, in Wirklichkeit Bruce Wayne, patroulliert von Wolkenkratzer zu Wolkenkratzer hüpfend durch das vollmondnächtliche New York und bemerkt auf der Straße eine offenbar geistig abwesende junge Frau, die im Begriff ist, einen harmlosen Passanten anzugreifen. Batman rettet den Spaziergänger und erkennt die Schlafwandlerin zu seiner Überraschung als Julie, seine – also Bruce Waynes – Verlobte. Wie wir im Verlauf der Geschichte erfahren, ist der Hintergrund folgender: Ein größenwahnsinniger Mönch aus Ungarn mit übernatürlichen hypnotischen Kräften hat es auf Julie abgesehen und sie daher hypnotisiert. Was der Fussgänger dabei für eine Rolle spielt, werden wir nie erfahren. Nach dem erfolgreichen Eingreifen Batmans jedenfalls hypnotisiert der gerissene Mönch Julies behandelnden Arzt, damit der ihr zu einer Seereise nach Europa rät, wo sie aus gesundheitlichen Gründen vor allem und unbedingt auch Ungarn aufzusuchen habe. Wir ahnen bereits, worauf der teuflische Plan hinausläuft. Auch Bruce Wayne riecht die Lunte und macht sich daher als Batman auf, um die Reise seiner zukünftigen Gattin zu überwachen. Dabei stehen ihm zwei neue Erfindungen zur Seite, die am Anfang einer im Verlauf der Jahre hoffnungslos unübersichtlich gewordenen Kette von mehr oder weniger nützlichen Gimmicks im Bat-Design stehen: der Batgyro – ein Minihubschrauber mit aus luftfahrttechnischer Sicht völlig überflüssigen zusätzlichen Fledermausflügeln – und der legendäre Baterang – modeled after the australian bushman’s boomerang, von dem er sich freilich nur dadurch unterscheidet, dass er schwarz ist und aussieht wie eine Fledermaus ohne Kopf und Beine. Der Baterang erweist sich bereits in dieser seiner ersten Folge als das, was er bis heute im Batman-Kosmos ist: Teil der nicht mehr wegzudenkenden Grundausstattung. Wie die bei allen Gelegenheiten geworfenen Betäubungskapseln und die Seile, an denen sich der Held durch die Gegend schwingt, ist der Baterang fortan immer dabei. Was dem Obelix sein Idefix, ist dem Batman sein Baterang. Mit seiner Hilfe wehrt der Fledermausmann auf dem Kreuzfahrtschiff den angreifenden ungarischen Mönch ab, stoppt im Schloss des Bösewichts einen tödlichen Mechanismus, rettet sich aus einer Grube mit Werwölfen, schaltet Wachen aus, bevor sie schießen können etc. Und das alles in nur einer einzigen Folge.

In Frankreich angekommen, verschlägt es Batman und Julie dann recht zügig auf das ungarische Schloss des Mönches. Dabei muss sich Batman mit einem riesigen Gorilla befassen, mit Schlangen und Wölfen in diversen Gruben und mit der unbehaglichen Erkenntnis, dass sein Gegner nicht nur religiös fanatischer Hypnotiseur, sondern außerdem noch Vampir und Werwolf ist – und zudem eine Freundin mit ähnlichen Qualitäten hat. Nach einigem hin und her gießt Batman schließlich zwei Silberkugeln und erschießt (!) die beiden merkwürdigen Horrorchimären im Schlaf (!). Julie ist gerettet und für immer dankbar.

Die narrative Organisation des Strips ist ein philologischer Albtraum. Die Geschichte schert sich nicht die Bohne um auch nur einigermaßen funktionstüchtige erzähllogische Anschlüsse und kommt fast ohne jede Figurenmotivation aus. Einfältige Technikfaszination und okkultistisches Halbwissen tun ein Übriges. Man schmeisst das Ding verärgert in die Ecke und freundet sich widerwillig mit dem Gedanken an, dass Comics eben doch etwas für Kinder sind und man sich ab einem gewissen Alter ernsthafteren Dingen zuzuwenden habe – wenn da nicht trotz aller erzählerischer Unbedarftheit dieser besondere, schwer definierbare Zug wäre, der den Fledermaushelden vor allen anderen Comicfiguren auszeichnet. Wie hat es Dick Giordano gleich wieder beschrieben?

It contained a story about a crimefighter I’d never seen before, one with a cape and a mask and a dark look to him, not at all like Superman or any of the other super-heroes I had read.

Wie lässt sich diese außergewöhnliche Wirkung Batmans an dem eben betrachteten Beispielstrip festmachen? Es sind wenige, praktisch nicht herausstechende Signale, die in dieser Geschichte ausmachbar sind und die freilich nur in der Retrospektive als Keimzellen desjenigen faszinierenden und in der Comicwelt einzigartigen Charakterdesigns sichtbar werden, das Batman heute ausmacht.

Da ist einmal das komplizierte Verhältnis zu seiner Verlobten. Bruce Wayne, zuhause auf einem Bett sitzend, während hinter ihm das Bat-Kostüm auf einem handelsüblichen Kleiderständer hängt, reflektiert die Problematik zunächst nicht besonders tiefsinnig: Julie would be surprised to know her Batman ist her future husband. Sicher. Julie wäre auf jeden Fall überrascht, so viel steht fest. Aber es wäre eine grundsätzlich andere Art des Überraschtseins als im Fall Lois Lane, die es trotz aller Beziehungsverwicklung dann ja doch ziemlich gut findet, mit Superman verheiratet zu sein. Der wird nämlich von den Bürgern der Stadt Metropolis als nachahmenswertes Ideal des amerikanischen Musterbürgers bewundert, und davon trifft ein Abglanz natürlich auch die Ehefrau. Bei Batman ist das nicht so einfach. Seine nächtliche Erscheinung über den Dächern der Großstadt erweckt nicht Hoffnung und Erleichterung, sondern Angst: Look! A Bat! The end of the world!, rufen die Bürger New Yorks angesichts des sie überfliegenden Batgyros aus. Auch alteuropäische Gelassenheit vermag hier nichts auszurichten: Help! The devil himself!, entfährt es einem Pariser Taxifahrer, der den Fledermausmann auf seinem Autodach entdeckt. Wir haben hier offenbar nicht unbedingt diejenige Art von Held vor uns, die die westliche Zivilgesellschaft zur Lösung ihrer Probleme herbeigesehnt hat. Der rechtschaffene Bürger reagiert auf Batmans Anblick mit Furcht und Entsetzen. Dabei ist er doch einer von den Guten. Oder etwa doch nicht? Um das zu klären, hilft in der Regel ein Blick auf die Motivation des Helden. Die ist glücklicherweise in unserem Beispiel vorhanden, wenn sie auch die einzige Figurenmotivation im gesamten betreffenden Strip ist: Batman räumt mit dem Bösen auf, um seine Freundin zu retten. Dabei rettet er zwar mit seiner potenziellen Ehe nebenbei irgendwie auch die Institutionen und Grundsätze einer zivilisierten Gesellschaft. Aber eben nur nebenbei. Die eigentliche Motivation ist nicht ganz so altruistisch: Es geht um was Persönliches.

Überhaupt hat diese Fledermaus ihren eigenen Kopf. Hier ist einer, der sein Leben selbst in die Hand nimmt und von niemandem Befehle empfängt. Schließlich wird als erster Erzfeind ein Hypnotiseur eingeführt, den Batman nicht durch Muskelkraft, sondern mittels eines tremendous effort of will besiegt, indem er die Lähmung der Hypnose überwindet. Nur logisch, dass dieser starke Wille nicht immer Konform mit den korsettartigen Moralvorstellungen moderner westlicher Gesellschaften geht. Oder wieso sollte Batman sich sonst hinter einer Maske verstecken, anstatt bei der Arbeit sein richtiges Gesicht zu zeigen – wie Superman? Und wieso eigentlich ist er immer nur nachts unterwegs? Er wird doch wohl nichts zu verbergen haben...

Ist also Batman nur zufällig einer von den Guten? Oder ist er am Ende gar nicht so gut? Auf diese Idee könnte man auch kommen, wenn man sich seine Gegner ansieht: Die menschliche Fledermaus kämpft gegen okkultistische Kräfte, Vampire, Schlangen und Werwölfe. Man wird das Gefühl nicht los, dass hier einer zum Verräter an seiner eigenen Art wird. Außerdem ist es nicht gerade gentlemanlike, seine Gegner im Schlaf zu erschießen. Superman jedenfalls hätte das nicht getan, niemals, auf gar keinen Fall.

Fassen wir die an unserem Strip aufscheinenden Charaktermerkmale, die so gar nicht ins Schema des sauberen Superhelden à la Superman passen wollen, noch einmal zusammen: Batman ist angsteinflößend, undurchsichtig, extrem willensstark (was das Schema des confused hero ausschließt), wird gesteuert von einer fragwürdigen Motivation und Moral und ist ein potenzieller Verräter, der sich außerdem bei der Erledigung seiner Gegner nicht unbedingt um Fairness schert. Diese Eigenschaften befremden in den frühen Comics vor allem aufgrund ihrer fehlenden logischen Vernetzung. Offenbar sind sie nicht Ausdruck eines planvoll durchdachten Charakterdesigns, sondern oftmals Effekt erzähllogischer Unbekümmertheit, die dem Team um den jungen Zeichner und Batman-Erfinder Bob Kane in der Frühphase sozusagen hauptberuflich unterlief. Gerade diese Ungereimtheiten bildeten aber das Rationalitätsvakuum, das unzählige Batman-Zeichner, -Erzähler und -Regisseure bis heute unermüdlich zu füllen sich befleissigen und damit Schicht für Schicht und Jahr für Jahr jenen komplexen und faszinierenden Helden zusammengetragen haben und immer noch zusammentragen, dessen Charakterisierung sich seit nun fast siebzig Jahren unausgesetzt modifiziert und verfeinert. Jeder erzählt die Geschichte ein bisschen anders, weil keiner das Original kennen kann. Die Ursprünge Batmans liegen in einer narrativ unartikulierten Zone jenseits von Text, Bild und Erzählstruktur. Sie sind schwarze Löcher im durchrationalisierten Welt- und Menschenbild moderner westlicher Gesellschaften – unlogisch, irrational und unheimlich: a dark look. Das ist der Stoff, aus dem Mythen entstehen. Batman begins.

Rezipiert man die erwähnte Batman-Kompilation nach Art eines Daumenkinos, fällt sofort eines auf: Die physische Veränderung des Helden. Wirkt Bob Kanes erster Wurf noch wie ein eher schmächtiger Teenager, der auf dem Weg zu einem Kostümfest versehentlich in sinnfreie Abenteuer verwickelt wird, so kommt der Held mit den Jahren immer maskulin-seriöser daher. Das Kinn wird markanter, die Brust breiter, der Blick ernster – und das Muskelrelief unter der Haut differenzierter. Batmans körperliche Erscheinung gewinnt immer ausgefeiltere Konturen. Schritt für Schritt wird aus dem anfänglichen, eher amorphen Klotz ein komplexes Identitätsprofil herausgeschnitzt.

Diese körperliche Veränderung ist nur ein Ausdruck der ständigen und umfassenden mythopoetischen Modifikation, der der Held seit den 40er Jahren in atemberaubender Geschwindigkeit unterzogen wird. Die Welt, in der sich Batman bewegt, ist ständig in Veränderung und wird dabei zum Spiegel seiner nie abschließbaren charakterlichen Genese.
Da ist etwa die geographische Modifikation: Treibt Batman sich zunächst in New York herum und schlägt sich mit an den Haaren herbeigezogenen Horror-Archetypen herum, so stellt sich rasch heraus, dass die Fledermaus ein geeigneteres urbanes Umfeld benötigt, das vor allem auch in der Lage ist, originelle und satisfaktionsfähige Feinde zu produzieren. Es folgt also eine kurze Phase des Nomadentums, die Batman zunächst nach Metropolis verschlägt, dem Wirkungsbereich Supermans (Batman 1, 1940: Dr. Hugo Strange and the Mutant Monsters). Dort begegnet er einem immerhin mit Doktor- und Professorentitel ausgerüsteten Gefängnisausbrecher, der mittels chemischer Behandlung Irrenhausinsassen zu Monstern transformiert und die Stadt terrorisieren lässt, während er selbst in der allgemeinen Aufregung Banken ausraubt. Schon besser. Aber trotzdem: in diesem braven, ausgewogenen Metropolis-Kosmos mit einer unabhängigen und funktionierenden Presse, in dem sich Gut und Böse auf so routinierte Weise die Waage halten, kann sich der Fledermausmann nicht so recht entfalten. Er rechtfertigt sich sogar vor dem Leser, als er seine Gegner erschießt und stranguliert, um sie aufzuhalten: Much as I hate to take human life, I’m afraid this time it’s necessary! Wenn es aber nur dieses eine Mal und ausnahmsweise nötig ist, wieso zählt dann ein Maschinengewehr zur Standardausstattung des Batplanes? Ist es nicht eher so, dass Batman schon gerne öfter Mal härter hinlangen würde, aber einfach Angst vor der gnadenlosen Berichterstattung des Daily Planet hat? Später in Gotham wird dann jedenfalls zunehmend kommentarlos umgelegt. Nein, das von Superman vorgeprägte Metropolis-Image ist einfach zu hochglanzpoliert für Batmans dark look. Noch vor Ende des Zweiten Weltkriegs zieht er deshalb weiter, um sich schließlich in einer Stadt niederzulassen, die für die nächsten sechzig Jahre sein Zuhause bleiben wird: Gotham City, Heimat der Korruption und des Schwerverbrechens. Straßenraub, Mord und Vergewaltigung sind hier nichts Besonderes. Die Balance zwischen Gut und Böse ist derart verschoben, dass die Bosse krimineller Organisationen sogar für das Bürgermeisteramt kandidieren. Gotham ist wie ein übelriechender Tümpel ganz kurz vor dem Umkippen. In dieser Stadt, in der die Verbrechensbekämpfung in ihrer Hoffnungslosigkeit extreme Methoden erfordert, sieht sich ein in Gestalt Commissioner Gordons immerhin noch einigermaßen integerer Polizeiapparat in seiner Arbeit ärgerlicherweise vor allem durch eine Sache behindert: die eigene Moral.

Kein Wunder, dass Batman in Gotham sehr schnell heimisch wird. Ausschlaggebend ist dafür wohl zunächst die Begegnung mit seinen zukünftigen Erzfeinden: der grotesk kugelartige Penguin und der immer etwas verkrampft gut gelaunte Joker, die sich zusammentun, um Gotham in Personalunion systematisch auszubeuten (Batman 25, 1944: Knights of Knavery). Der Freak der Verbrechensbekämpfung trifft auf die Freaks des Verbrechens. Auch das Klima in dieser Stadt ist durchaus fledermausgerecht: es ist kalt, wolkig und fast immer Nacht. Das ideale Biotop. Hier also gründet Batman sein Hauptquartier: das feudale Wayne-Anwesen mit dem darunter liegenden, über Geheimgänge erreichbaren Batcave. Dort unten – gleichsam in den grauenerregenden Tiefen eines archaischen Unterbewusstseins – parkt eine weitere Legende: das Batmobile – jene Kriegserklärung an die Straßenverkehrsordnung, in der wir – seien wir ehrlich – doch alle gern mal eine Runde drehen würden, am liebsten nachts. Das Batmobile verfügt über Fernsteuerung, Düsenantrieb, schwere Bewaffnung und viele andere nützliche Dinge. Es kann sich durch ein hitech-Außenpanzersystem in eine hermetisch abgeschottete Kapsel verwandeln und hat keine Nummernschilder. Strafzettel sind Geschichte. Aber im Batcave findet sich noch anderes: An den Wänden und der Decke hängen überall Fledermäuse. Bruce Wayne verlegt die gesellschaftsunverträgliche, ordnungsfeindliche und obsessive Seite seiner Persönlichkeit unter die Erde. Dort bewahrt er seine Kostüme auf und unterhält ein kriminalistisches hitech-Labor sowie eine ebenso ausgefallene wie umfangreiche Waffenkammer. Von hier aus plant er seine nächtlichen Streifzüge und zieht die kriminalistischen Schlüsse aus seinen Erlebnissen. Hier zählen keine sozialen Verpflichtungen oder moralischen Rücksichten, sondern nur die nackte, wissenschaftlich nachweisbare Wahrheit und ihre konsequente Durchsetzung mittels außergewöhnlicher Körperkraft und überdurchschnittlichem instrumentellen Intellekt. Batman hat Wurzeln geschlagen, die tief in die Erde reichen.

Dieser Verankerung im Unterirdischen entspricht eine Entwicklung an der Oberfläche. So viel Subversion in dunkler Tiefe verlangt nach einem Gegengewicht im Tageslicht: Bruce Wayne, Billionär und Großindustrieller, gibt Wohltätigkeitsveranstaltungen und adoptiert Waisenkinder. Als Batman macht er sich zum Laufburschen des örtlichen Polizeiapparates, was im extremen Gegensatz zu seiner normenbrechenden Fledermausnatur steht. Er schlägt seine Bat-Haken in das sichernde gesellschaftliche Netz aus Moral und institutioneller Ordnung, um nicht vollständig in das amoralisch-brutale Universum seines Wappentiers abzugleiten. Der Exorbitante ordnet sich bedingt unter, um die Gesellschaft nicht allzu schwer zu beschädigen, während er sie verteidigt. Das ist die charakterliche Zerreißprobe, die ihn zwar minimal, aber deutlich von seinen Gegnern unterscheidet.

Batmans Erzähler haben das Wesen dieser Zerreißprobe schnell begriffen, und sie haben Angst davor. Wie lässt sich der Held für den Dienst an der Gesellschaft retten, ohne dass man ihn dabei domestiziert und seiner animalischen und moralisch fragwürdigen Kraft beraubt, ohne die er paradoxerweise für das Gute nutzlos wäre? Wie lässt sich die unangenehme Tatsache übertünchen, dass Batman dazu geschaffen scheint, das Verbrechen mit dessen eigenen amoralischen Waffen zu bekämpfen? Oder würden Millionen amerikanischer Eltern tatsächlich tatenlos zusehen, wenn ihre unmündigen Kinder ein blutsaugendes, moralisch grenzwertiges Halbmonster zu ihrem ethischen Vorbild machen? Im Zusammenhang dieser Problematik wurde die Fledermaus zum Objekt bisweilen geradezu hysterischer Versuche ideologischer Vereinnahmung und Entschärfung: Bruce Wayne sammelt Ritterrüstungen. Er erhält die Beinamen Dark Knight und Crusader of Crime. Offenbar hoffte man, die Fledermaus durch Einzwängen in den mittelalterlichen Ritterkodex zähmen zu können: der edle Retter, der zwar äußerlich etwas martialisch daherkommt, moralisch aber völlig domestiziert und daher für den rechtschaffenen Bürger und seine Gesellschaftsordnung ungefährlich ist. Er tötet Drachen, befreit Jungfrauen, besiegt böse Zauberer und hat einen Eid auf den amerikanischen Präsidenten geleistet. Dies ist freilich ein ebenso verbreitetes wie naives Klischee einer mittelalterlichen Kriegerkaste, die sich in der einschlägigen Literatur durch eben dieselbe moralische Ambivalenz auszeichnet, die sie hier zu beheben bemüht wird. Das Ergebnis ist folglich nicht etwa eine Ausblendung, sondern sogar eine erhebliche Intensivierung des dark look. Man muss sich nur einmal das Waffenarsenal im Batcave genauer ansehen.

Oder nehmen wir Batmans irgendwann in den Vierzigern dazugestoßenes Mündel: Robin the Boy Wonder, jener merkwürdig bunte halbwüchsige Sidekick, der schon durch seine bloße Anwesenheit verhindert, dass man seinen unheimlichen Boss auch nur noch halbwegs ernst nehmen kann. Die Farbkombination des Robin-Kostüms macht die Zähne schmerzen. Plärrend durchkreuzt sie das durchaus funktionale Blauschwarz der Fledermaus, das es Batman bisher ermöglichte, sich nächtens unbemerkt nahe an seine Gegner heranzuschleichen, um dann aus der Dunkelheit schnell und effektiv zuzuschlagen. Der grelle Robin hingegen spielt nun auch akustisch die Rolle einer dem Helden umgehängten verbrecherwarnenden Kuhglocke: Ständig rennt er in der Dunkelheit gegen irgendwelche Eimer oder Möbelstücke und warnt damit die jeweilige in einer Lagerhalle versteckte Gangsterbande, an die man sich gerade heranpirscht. Und Batman muss es dann richten. Kein Wunder, dass er sauer ist und dabei zu etwas robusteren Methoden greift.

Es wird schnell zum Charakteristikum der Beziehung zwischen Batman und seinen besorgten Erzählern, dass die Versuche letzterer, ihr Geschöpf seines dark look zu berauben, gründlich nach hinten losgehen. Angesichts dieser hoffnungslosen Schlüpfrigkeit der Fledermaus kam es bereits in den sechziger Jahren zu einem ersten Versuch, das Experiment abzubrechen: Batman, die Klamauk-Fernsehserie mit dem hühnerbrüstigen Adam West als Titelheld und Burt Ward als Robin, die mit allen verfügbaren Mitteln versucht, den Dark Knight endgültig zum Kasper zu machen. Noch in den Achtzigern lachten wir über das Bat-Anti-Haifischspray, das sinnloserweise zur Standardausrüstung des Bat-Hubschraubers zählt. Auch die absurden, alle Gesetze der Logik mit Füßen tretenden kriminalistischen Schlussfolgerungen – etwa nach dem Muster „drei mal drei macht 333, und deswegen ist der Gärtner der Mörder“ – sorgten immer wieder für Heiterkeit. Durchaus geschickt versuchte die Serie, die düster-gefährliche Irrationalität Batmans in harmlose Komik mittleren bis niedrigen Niveaus zu übersetzen. Die Intention ist eindeutig: Tod durch Gelächter. Die Serie lief von 1966-68, im ersten Jahr kam zusätzlich ein abendfüllender Film in die Kinos. Lustig war diese Veranstaltung allemal. Den dark look konnte sie jedoch nicht ausschalten. Es scheint sogar, dass Batman aus diesem misslungenen Mordversuch mit einer neuen Entschlossenheit hervorgegangen ist: jetzt erst recht. Seine Erzähler reagieren darauf durchweg mit verzweifelten Apellen.

Batman benutzt keine tödlichen Waffen! Batman tötet nicht! Diese immer wieder ohne jeden Bezug zum Erzählzusammenhang in die Kommentarkästchen der Strips eingefügten Versicherungen wirken wie gebetsmühlenartige Beschwörungen der Schöpfer an ihre eigene Kreatur: Bitte tu es nicht! Bring uns nicht in diese Situation! Die Fledermaus ist freilich längst außer Kontrolle geraten und hat über die Jahre einen Charakterzug entfaltet, der ihre Dompteure mit immer größerem Unbehagen erfüllt. Wie man es auch dreht und wendet, man kommt nicht drumherum: Batman ist fies. Er stellt Beine, bricht Nasen, tritt in Weichteile und wurde mehrfach mit Schusswaffen gesehen. In einer Schlägerei greift er schon mal zu einem herumliegenden Brecheisen. Seine Gegner neigen zunehmend dazu, auf Hochhausfassaden auszurutschen und in die Tiefe zu stürzen – ohne dass sie jemand in letzter Sekunde auffängt (schließlich sind wir hier nicht im braven Metropolis). Er entwickelt eine merkwürdige sadistische Vorliebe für primitive scharfkantige Wurfgeschosse in Fledermausform. Und ganz selten, wenn man genau hinsieht, wird man vielleicht ein, zwei Mal bemerken, dass er befriedigt grinst, während eines seiner Opfer zu Tode stürzt oder von einem Sprengsatz zerfetzt wird. Die geographische hat eine charakterliche Modifikation in Gang gesetzt: der Unterschied zwischen Batman und seinen Gegnern wird immer minimaler. Bei seiner Gratwanderung läuft er ständig Gefahr, endgültig auf die Seite des Bösen zu kippen – genau so wie seine Wahlheimat. Trotzdem kommt es nie zur Katastrophe. Wir erinnern uns: es handelt sich hier um einen Helden von extremer Willenskraft. Auch Batman rutscht ab und zu aus und fällt von Hochhäusern. Aber während andere tatenlos auf dem Asphalt zerschellen, schafft er es immer noch in letzter Sekunde, ein rettendes Seil auszuwerfen, das sich dann auch tatsächlich irgendwo verhakt und ihn auffängt. Wie weit er auch an und über die Grenze geht – Batman kommt immer zurück.

Julie wäre in der Tat überrascht. Aber Moment mal... von Julie ist schon längst nicht mehr die Rede. Offenbar wurde die Verlobung irgendwann in den letzten sechzig Jahren stillschweigend aufgelöst. Aber das ist wohl auch besser so. Solche Typen heiraten eben nicht. Sie lernen sicher ab und zu ein nettes Mädchen kennen, dem sie sich bestenfalls vielleicht auch ebenso unbeholfen wie erfolglos zu explizieren versuchen. Letztendlich sind sie aber wohl das, was die Ratgeberseiten der einschlägigen Frauenzeitschriften ‚beziehungsunfähig’ nennen. Ein Mann in Batmans Position hat einfach zu viel damit zu tun, die ihn ständig unter Spannung haltende moralische Zerreißprobe auszuhalten und innerlich zu meistern. Und damit wären wir bei dem wahrscheinlich interessantesten Aspekt des mythopoetischen Prozesses der Fledermaus angelangt: der psychologischen Modifikation.

Wir schreiben das Jahr 1948. Der Zweite Weltkrieg ist vorbei, Batman hat sich in Gotham akklimatisiert und mit den örtlichen Superganoven Penguin und Joker beschnuppert, die in beruhigender Regelmäßigkeit aus dem Gefängnis ausbrechen, um sich neue Gemeinheiten auszudenken. Das Häusle ist gebaut, der Arbeitsplatz gesichert. Ein guter Zeitpunkt, um sich zurückzulehnen und ein erstes Résumé aus dem bisherigen Lebensweg zu ziehen. Der geographischen Festlegung und Ausdehnung folgt die temporale: Batman erhält eine Geschichte.

Have you ever wondered why Bruce Wayne, a society blueblood, chose the dangerous career of Batman? What made him become a relentless, hard-hitting crime-fighter? How did he train himself in athletic and scientific skill until he became the nemesis of the Joker, the Penguin, Catwoman and other nefarious criminals of our time? What inspired the Batmobile and the Batplane? Here is the answer: The Origin of Batman (Batman 47, 1948)

gehorcht dem klassischen, am Comicsuperhelden altbewährten Herleitungsschema des generationenübergreifenden Auftrags: Peter Parker versäumt, den Mord an seinem Onkel Ben zu verhindern und stellt seine radioaktiven Kräfte fortan als Spiderman in den Dienst der Verbrechensbekämpfung; der junge Außerirdische Kal-El erhält von seinem Vater per Hologramm die Anweisung, die Menschheit zu beschützen und bekämpft das Böse als Superman; und Bruce Wayne... tja, Bruce Wayne hat es definitiv am härtesten erwischt. Als Kind muss er mit ansehen, wie seine Eltern, Martha und Thomas Wayne, bei einem Raubüberfall ums Leben kommen. Der Gangster Joey Chill hat es auf Marthas Halskette abgesehen. Thomas will ihn aufhalten und wird erschossen, was für die schwache Konstitution seiner Frau zu viel ist: sie stirbt an Ort und Stelle an einer Herzattacke.

Musste es gleich so heftig kommen? Warum macht der junge Bruce eine Tortur durch, die seinen Kollegen in dieser Härte erspart bleibt? Die Antwort ist im Prinzip simpel: Weil Batman härter sein muss als die anderen. Peter Parkers Karriere als Verbrechensbekämpfer wird zwar auch von einem persönlichen Verlust initiiert. Außerdem eilt ihm aber eine radioaktiv verseuchte Spinne zu Hilfe, die ihn in die Hand beisst und so mit denjenigen Superkräften versorgt, die er zur Erfüllung seines gewaltigen Vorhabens braucht: das Verbrechen selbst zu bekämpfen, nicht irgendwelche einzelnen Verbrecher. Eine solche Mission übersteigt das Menschenmögliche. Daher die Superkräfte, die in der Regel durch höhere Gewalt, von einem nicht näher definierten, aber offensichtlich irgendwo vorhandenen Superheldengott verliehen werden (in der jüngsten Filmversion wurde die Spinne von Wissenschaftlern gentechnisch verändert!). Wie im Fall Spiderman sind auch die ungeheuren Kräfte des jungen Kryptoniers Kal-El im wahrsten Sinne des Wortes metaphysisch: Auf Krypton ein ganz normaler Junge, entwickelt er auf der Erde seine Superkräfte nur aufgrund der anderen hier herrschenden physikalischen Gesetze. Konfrontiert man ihn mit Heimaterde, ist er genau so ein Schwächling wie du und ich.

Batman hat weder außerirdische Eltern, noch läuft ihm eine verstrahlte Fledermaus über den Weg. Dennoch hat er dieselbe monumentale Mission wie seine Kollegen und befindet sich auf gleicher Augenhöhe mit Superman, mit dem er sogar einmal ein befristetes Joint Venture bildet (World’s Finest Comics 94, 1958: Origin of the Superman-Batman Team). Ein Superheld ohne Superkräfte? Wie ist das möglich? Betrachten wir The Origin of Batman einmal näher. Es sind lediglich zwei aufeinanderfolgende Bilder, die den Schlüssel hergeben. Bild eins: der junge Bruce steht vor seinen am Boden liegenden toten Eltern. Er starrt den Killer voller Zorn an. They’re dead! You killed them… you killed my mother and father… Der Mörder zittert, weicht zurück, legt die Hand an den Mund, blickt ängstlich. Stop lookin’ at me like that! Bild zwei: Wir blicken in das Gesicht des Killers. Sein Mund ist aufgerissen, seine Augen vor Entsetzen geweitet, die Hand abwehrend hochgehalten. Ein Schatten fällt auf sein Gesicht. Es ist überblendet von zwei größeren Augen – die Augen des jungen Wayne –, die uns ausdruckslos, weit geöffnet anstarren und vor denen der Mörder zugleich zurückschreckt. Wayne blickt den Mörder an und zugleich uns aus der Perspektive des Mörders. Sein Blickpunkt kommt mit dem des Killers zur Deckung, der sich dadurch vor Schreck verdunkelt und auf einer Gesichtshälfte fast ein wenig aussieht wie der spätere Batman. Ein Kästchen kommentiert: Something about young Bruce’s eyes made the killer retreat… they were accusing eyes that memorized his every feature… eyes that would never forget…

Diese zwei Bilder sind die eindringlichsten und herausragendsten des Strips. Sie wollen so gar nicht in das verkrampft überspielende, vergeblich um Domestizierung bemühte Batman-Universum der späten vierziger Jahre passen. Der kleine, hilflose Bruce Wayne schlägt seinen ersten Verbrecher in die Flucht, und zwar bevor er sich ballonartige Muskeln antrainiert, einen überragenden Intellekt anstudiert und ein Fledermauskostüm angelegt hat. Für seinen ersten Einsatz steht ihm noch keines der zahlreichen hitech-Gimmicks zur Verfügung. Er benutzt nur eine einzige Waffe, die bis heute seine effektivste ist und deren Schlagkraft er aus dem psychischen Schock über den Tod seiner Eltern bezieht: Furcht.

Diese Furcht scheint auch die Zeichner des Strips erfasst zu haben: Der traumatische Motor des Helden wird über die zwei Bilder hinaus nicht weiter entwickelt, sondern sofort unter dem 08/15-Sherlock-Holmes-Schema verschüttet. Bruce schwört am Grab seiner Eltern Rache, hantiert mit Reagenzgläsern beim Studium der wissenschaftlichen Kriminalistik und stählt seinen Körper an Barren, Ringen und Punchingball. Schon Arthur Conan Doyles Held war nicht direkt der Mann, mit dem man gerne mal abends ein Bier trinken wollte. Diese hagere Hakennase mit dem Sparschlitzmund, der nie lacht und sich für nichts anderes interessiert als Chemie und Turnhallenbeläge. Ein fähiger Kriminalist, unbestritten. Aber seien wir ehrlich, was für ein langweiliger Kerl! Ein saftiges Trauma hätte dem sicher gut getan. In einem Fledermauskostüm hingegen hätte er sich einfach nur lächerlich gemacht. Diese Gefahr schwebt nun auch drohend über dem herangewachsenen Bruce Wayne, als er – fertigtrainiert – im Schlafrock am Kamin über sein zukünftiges outift als Verbrechensbekämpfer sinniert: Criminals are a superstitious, cowardly lot, so I must wear a disguise that will strike terror into their hearts! I must be a creature of the night, like a… a… [in diesem Augenblick flattert eine Fledermaus durch das offene Fenster] A bat! That’s it! It’s like an omen! I shall become a bat! Man weiß nicht, ob man lachen oder weinen möchte. In einer vor politischer Korrektheit triefenden Rahmenhandlung erntet außerdem Joey Chill Jahre später die bitteren Früchte seiner Tat: Von seinen Kumpanen als Schöpfer Batmans erkannt, wird er von diesen in einer schmutzigen Hinrichtung durchlöchert. Die Drecksarbeit machen diejenigen, die ohnehin dafür zuständig sind. Glück für Batman, dass es ihm so erspart bleibt, sich als Rächer die Hände schmutzig zu machen.

Doch bei aller Kürze und anschließender Übertünchung mit Spießer-Detektiv-Klischees: das Trauma ist gezeichnet. Da passt man einmal ganz kurz für nur zwei Bildchen nicht auf, und schwuppsdiwupps: Batman ist ein Psychopath. A dark look. Die verflixte Fledermaus hat es mal wieder geschafft.

Erst acht Jahre später, als sich das Trauma bereits hoffnungslos tief in das Heldengehirn gefressen hat, folgt der erste amateurhafte Entschärfungsversuch (Detective Comics 235, 1956: The first Batman): Bruce Wayne findet auf dem Dachboden seines Anwesens ein altmodisches Fledermauskostüm und ein Tagebuch. Beides stammt von seinem Vater, der in betreffendem Buch folgende Geschichte enthüllt: Als Bruce noch ganz ganz klein war, wurden seine Eltern einmal auf einen Wohltätigkeitsfaschingsball mit dem Motto Flying Creatures eingeladen. Martha ging als Schmetterling und Thomas als... na? Richtig! Als Fledermaus. In einer Geschichte, deren narrative Baufälligkeit an die ersten Gehversuche Batmans in den frühen vierziger Jahren erinnert, wird der Arzt Thomas Wayne auf dem Kostümfest in voller Fledermausmontur von Gangstern entführt, um deren Boss zu verarzten, den Bankräuber Lew Moxon, der gerade aus dem Gefängnis geflüchtet ist und dabei angeschossen wurde. Thomas kann jedoch die Entführer durch seine beherzte Tatkraft überwältigen und der Polizei übergeben. Als Moxon zehn Jahre später aus dem Gefängnis entlassen wird, heuert er für seine Rache den unbedeutenden Gauner Joey Chill an. Der soll Thomas Wayne bei einem simulierten Raubüberfall ermorden und auf jeden Fall Zeugen zurücklassen, um Moxons Alibi zu sichern. Buchhalterartig hakt die Geschichte alle Zutaten der unliebsamen psychischen Unregelmäßigkeit des Helden ab: Der kleine Bruce hat den Killer gar nicht in die Flucht geschlagen. Er sollte am Leben bleiben, um später Moxon zu entlasten. Und das Fledermauskostüm... naja, es war eben einfach die unterbewusste Erinnerung an das Faschingsoutift des Vaters, die in Bruce hochschwappte, als die Fledermaus zum Fenster hereinflatterte. Nebenbei wird im Zusammenhang einer Rahmenhandlung auch noch der Drahtzieher der ganzen Angelegenheit politisch korrekt zur Strecke gebracht: Auf der Flucht vor Batman wird Moxon von einem Auto erfasst und getötet. Die Weste der Fledermaus bleibt weiß, für Rachegelüste besteht kein Anlass mehr. Es gibt also für alles eine ganz rationale, unspektakuläre Erklärung. Der Mann ist völlig gesund!

Das Rührende an dieser therapeutischen Maßnahme ist ihr naives Vertrauen in die Macht simpler Logik. Dass hingegen genau aus dieser nicht das Netz gewoben ist, mit dem man Fledermäuse fängt, hat Batman zu diesem Zeitpunkt bereits seit Jahren anschaulich demonstriert. Kein Wunder, dass sich das Trauma keineswegs als behoben erweist, sondern in den folgenden Jahren immer wieder von verschiedenen Seiten aufgerollt wird, um daran herumzudoktern. Neben ihrer Erfolglosigkeit haben diese Eingriffe ihre Intention und Ausgangsfrage gemeinsam: Geht es nicht irgendwie auch ohne psychischen Defekt? Braucht es für die prinzipielle Motivation des Helden wirklich ein Trauma oder gibt es eine Alternative? Müssen Rache und Zorn sein Antrieb sein? Überdurchschnittliche Zivilcourage würde doch auch reichen! Kann Batman nicht einfach wie Superman sein?

Er kann nicht. Folgerichtig gerät der letzte mir bekannte Therapieversuch im Comic-Medium zu einer Kapitulation der behandelnden Ärzte. Ihr Scheitern fällt ebenso spektakulär aus wie die Dimensionen des im Titel angekündigten Vorhabens: In To kill a Legend (Detective Comics 500, 1981) werden Batman und sein bunter Freund Robin von dem übersinnlichen Phantom Stranger, der als eine Art Botschafter des Schicksals auftritt, in ein Paralleluniversum versetzt. Dort steht kurz bevor, was in Batmans altbekannter Erzählwelt längst passiert und ungeachtet aller erzähllogischer Nachbesserungen unumkehrbar ist: Der Mord an Thomas und Martha Wayne, der das Leben des kleinen Bruce grundlegend verändern wird. Batman erhält nun die Gelegenheit, dem Parallel-Bruce ein grausames Schicksal zu ersparen und quasi gleichzeitig seine eigene verquere Psyche zu bereinigen.

Die primitive Argumentationsfalle des Strips beleidigt schon den Intellekt eines Zehnjährigen (zumindest den eines bestimmten, mir befreundeten Zehnjährigen – freilich ein renommierter Batman-Experte –, dem ich den Fall mit der Bitte um Analyse vorlegte): Trotz der Bedenken Robins, der darüber reflektiert, ob es denn wünschenswert sei, in dieser Parallelwelt die Geburt Batmans zu verhindern, indem man dem jungen Bruce sein motivierendes Trauma vorenthält, macht Batman Nägel mit Köpfen: Er kann den Mord an den Eltern seines Alter Ego in letzter Sekunde verhindern. Die erschrockenen Waynes sehen mit an, wie der aus dem Nichts aufgetauchte Batman dem Gangster die Waffe aus der Hand schlägt und ihn – merklich nicht ohne persönliche Befriedigung – mit einer eleganten Kombination ausknockt. Der Parallel-Bruce aber verwandelt sich nach diesem Vorfall allmählich von einem selbstsüchtigen, verwöhnten Billionärssöhnchen in einen stillen, ernsthaften Jungen, der anfängt am Barren zu trainieren und Arthur Conan Doyle im Bücherregal hat. Wir sollen nun denken: So ist das also! Bruce Wayne ist gar kein Psychopath! Auch wenn das angebliche Trauma zu einem eher blassen Schreck degradiert wird, heißt das Ergebnis Batman! Es handelt sich also gar nicht um eine massive Zwangsneurose, sondern um eine bewusste Willensentscheidung des jungen Bruce! Und wie der so Entneurotisierte dann später auf die Idee mit der Fledermaus kommt, ist ja jetzt auch klar.

Aus dieser Geschichte lernen wir, dass sich die therapeutische Batman-Forschung 1981 noch immer auf dem Stand von 1956 abspielt (vgl. oben zu The First Batman). Der einzige Fortschritt ist, dass sie es mittlerweile schafft, ihre entschärfende Herleitung in eine noch unverschämter konstruierte Geschichte zu kleiden als vor 25 Jahren. Das macht die Argumentation freilich nicht überzeugender: Der junge Alternativ-Bruce, der da ohne Trauma anfängt zu trainieren, ist einfach zu sauber. Aus dem wird doch nie im Leben eine nasenbrechende Fledermaus! Eher so ein Einserjurist, der Karriere im Staatsdienst macht und nebenbei sein Land bei den Olympischen Spielen vertritt. Ein Super-Sherlock eben. Schon die Verlagerung der Entschärfung in ein narratives Paralleluniversum drückt schließlich die Bankrotterklärung der betreffenden Psycho-Korrektoren aus: Was anders hätte laufen können, ist allenfalls an einem Alternativ-Batman demonstrierbar, bleibt aber gleichwohl im Konjunktiv. In der richtigen Welt müssen wir nach wie vor mit demjenigen psychisch defekten Helden klarkommen, den wir nun einmal herangezüchtet haben.

Es ist ein entsetzlicher Moment, wenn man einsehen muss, dass die Ärzte einem nicht helfen können. Auch an Batman scheint dieser Moment seine Spuren hinterlassen zu haben: Seit Anfang der Achtziger wirkt er irgendwie düsterer, stiller, depressiver. Seine Denkblasen werden größer, der darin eingeschlossene Gestus weinerlicher. Er monologisiert über die vom Superheldendasein aufgezwungene soziale Isolation und Vereinsamung. Während normale Leute in solchen Situationen einen Psychiater aufsuchen können, bleibt Batman nur, sich einer Person zu eröffnen, die ebenfalls durch die Hölle moralischer Ambivalenz gegangen ist und daher als einzige versteht, was unser Held durchmacht: Selina Kyle alias Catwoman, jenes feline Alter Ego der Fledermaus, von dem man auch nie so genau wusste, ob es gut oder böse ist. Als die durch eine Kopfverletzung aus einer harmlosen Angestellten in einen peitschenschwingenden maskierten Vamp transformierte Selina aber anfing, Juwelen zu klauen, war der Fall natürlich klar. Von Batman in den Knast verbracht, wird sie nun ebendort von ihrem alten Feind aufgesucht, weil der ihr sein Herz ausschütten will (The Brave and the Bold 197, 1983: The Autobiography of Bruce Wayne): I don’t have anyone else I can turn to. Too much of my world seems to be…shrinking. Dead ends and locked doors. Selina nickt verständnisvoll und wirkt, als würde sie nach innen blicken: Shrinking... yes. I…know that feeling. Die derart ernst gewordene Fledermaus kämpft nun immer seltener gegen den gut gelaunten Joker und den lustig-kugeligen Penguin. Die sind einfach zu pietätlos geworden angesichts so viel an innerem Leid gewachsener strenger Würde. An ihre Stelle treten zunehmend gruselige, emotional unterkühlte Gegner, von denen freilich keiner die Popularität der beiden irgendwie ja dann doch sympathischen Ur-Erzschurken erreichen konnte. Trotzdem: Obwohl Batmans späte Feinde für immer dazu verdammt schienen, an der Peripherie des Fledermausuniversums ihr Unwesen zu treiben, sollten sie später noch einmal eine wichtige Rolle im Lebenslauf des Helden übernehmen. Aber so weit sind wir noch nicht.

Zunächst reagiert der Held auf seine psychische Vereinsamung nach einer kurzen Phase des Selbstmitleids und Herumgejammers Mitte der Achtziger auf eine Art, die wir trotz aller Ambivalenz in dieser Kompromisslosigkeit bisher nicht von ihm gewohnt waren: Batman verliert die Beherrschung – und schlägt mit aller Härte zurück. Frank Millers The Dark Knight Returns (1986) – ein vierteiliger Comicstrip, der zunächst in Folge, dann als Buch erschien – findet Bruce Wayne als unausgeglichenen Rentner vor. Zehn Jahre ist es her, dass Batman das Cape an die Wand gehängt hat, und auch der mittlerweile siebzigjährige Commissioner Gordon steht kurz vor dem wohlverdienten Ruhestand. Es scheint tatsächlich, als hätten sie es geschafft: Die lästige Fledermaus hat es endlich eingesehen und macht Platz für eine neue, von Anfang an besser durchgeplante, zeitgemäßere und vor allem psychisch intakte Superheldengeneration. Wie von Zauberhand entzerren sich gleichzeitig die traditionsgemäß das Wesen des Helden spiegelnden Supergegner: Harvey Dent alias Two-Face ist nach einer kosmetischen Operation seines durch Säure halb verätzten Gesichts optisch wieder hergestellt und also nun auch charakterlich bereit, nach steiler Schwerverbrecherkarriere wieder als nützliches Mitglied in die Gesellschaft integriert zu werden. Wozu noch Batman?

Was sich auf den ersten Seiten als schwermütiger Abgesang tarnt, offenbart sich im folgenden als extremistischer Relaunch. Der pensionierte Batman ist unzufrieden und rastlos. Er erinnert sich daran, wie er als Sechsjähriger in eine unterirdische, von Fledermäusen bewohnte Höhle stürzte und dort einem riesigen unheimlichen Tier begegnete, das seither in ihm ist, keine Ruhe gibt und noch nie etwas von Pensionsvorsorge, Strickjacken und gesetzlichem Rentenalter gehört hat. Noch kann sich der ergraute Held aber beherrschen und tut das, was man als vernünftiger Mensch für gewöhnlich in solchen Situationen tut: Er betrinkt sich und sieht fern. Als hätte sich alles gegen seine Selbstkontrolle verschworen, kommt dann aber ausgerechnet The Mark of Zorro im Spätprogramm – jener Film, den der junge Bruce gerade mit seinen Eltern im Kino gesehen hatte, als der verhängnisvolle Überfall ihn zum Vollwaisen machte. Die weit aufgerissenen Augen und entblößten Zähne des im Fernsehsessel erstarrten Rentners belehren uns undifferenziert über einen irgendwo hinter ihnen verborgenen unaussprechlichen Horror, den Wayne bis heute mit diesem lang zurückliegenden Abend verbindet. Als dann auch noch die depressive Selina auf seinen Anrufbeantworter spricht, um wieder einmal ein gegenseitiges Vorjammern anzusetzten, ist das Maß endlich voll: Das Tier bricht aus dem Käfig und nimmt noch einmal den Kampf gegen das Verbrechen auf. The Dark Knight Returns.

Millers Batman ist der blanke, von allen Fesseln einer hinderlichen Restmoral befreite Horror. Bei der Lektüre der Strips kommt es einem so vor, als höre man im Hintergrund einen Nine Inch Nails-Soundtrack. Da werden Körperteile von metallenen Fledermaus-Wurfgeschossen zerhackt, schwere Autounfälle provoziert, voll bemannte Fahrzeuge in die Luft gesprengt, Opfer unter Androhung des Verblutenlassens nach ihren Auftraggebern befragt, diverse Knochen möglichst kompliziert gebrochen, Augen ausgehackt etc. Unter einer Treppe verborgen auf einen herunterkommenden Kriminellen wartend, reflektiert Batman: There are seven working defenses from this position. Three of them disarm with minimal contact. Three of them kill. The other… hurts. Er entscheidet sich schließlich für die schmerzhafteste Lösung, bricht seinem Gegner die Hüfte und macht ihn damit vermutlich für immer zum Krüppel. Von einem entsetzten Polizisten darauf angesprochen, erwidert die Fledermaus trocken: He’s young. He’ll probably walk again. But he’ll stay scared. Won’t you punk? Man merkt es schnell: der so entfesselte Batman fackelt nicht lange. Seine Methoden sind extrem, seine Sprüche kernig. Endlich kann die Fledermaus einmal so, wie sie schon immer wollte. Gleichzeitig spielt Miller genüsslich mit dem schockanten Effekt seines so losgelassenen Helden auf die diesem seit jeher verkrampft entgegengesetzte Spießermoral: Das Schusswaffentabu wird durchgehend ironisiert (Good thing I brought the gun). Regelmäßig in die Geschichten eingeschaltete Fernsehnachrichten und –gesprächsrunden machen uns zu Zeugen der öffentlichen Meinung, die zwischen Pro und Contra schwankt. Psychologen, Soziologen und Journalisten diskutieren das moralische Für und Wider, wobei der Held abwechselnd als gefährlicher Psychopath bzw. lang ersehnte tatkräftige Führerfigur im Kampf gegen das Verbrechen stilisiert wird.

Miller integriert die öffentliche Diskussion – sei sie nun real oder lediglich befürchtet – in sein Comic-Universum. Das tut er auch mit der potenziellen hysterischen Reaktion amerikanischer Eltern auf einen schlägernd, schießend und mordend herumlaufenden Splatterhelden: The council of mothers today petitioned the mayor to issue a warrant for the immediate arrest of the Batman, citing him as a harmful influence on the children of Gotham. Batmans Verhältnis zur Jugend ist in der Tat problematisch. Tritt er doch als Repräsentant einer genau genommen längst abgelösten Generation auf, die ihren Nachfolgern aber nicht den rechten Mumm zutraut, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Gothams größtes Problem ist 1986 offenbar das kriminelle Potenzial einer orientierungslosen und extrem leicht beeinflussbaren Jugend ohne jeden kritischen Verstand: Commissioner Gordon muss sein Leben retten, indem er minderjährige Attentäter erschießt. Batman agiert als pädagogischer Dinosaurier im Zeichen autoritärer Erziehung inklusive Prügelstrafe. Die Mutants, eine von einem seltsam deformierten Wesen angeführte Jugendbande, neutralisiert er zunächst, indem er ihren Boss in einem eigens inszenierten Schaukampf erledigt. Die so der Identifikationsfigur beraubten Teenager huldigen daraufhin aber der siegreichen Fledermaus und überziehen Gotham zum Entsetzen der rechtschaffenen Zivilbevölkerung als Sons of Batman mit flächendeckender Lynchjustiz (ein origineller Ableger dieses Jugendkultes ist übrigens der neue Robin). Zwischendurch pinseln sie sich auch einmal das Gesicht weiß an und laufen dem Joker nach. Der derart provokant zur Identifikationsfigur der jüngeren Generation stilisierte Splatter-Batman jedenfalls ist dazu geeignet, die schlimmsten Träume sorgender Mütter, warnender Sozialpädagogen und ordnungsfanatischer Schuldirektoren zum Leben zu erwecken. Sein Stil erinnert an einen Drogensüchtigen, der in einer Fernseh-Diskussionsrunde zur besten Sendezeit erzählt, dass Heroin eine tolle Sache sei.

Millers Parodien auf den soziologischen, politischen und medienkritischen Diskurs im Angesicht des schlimmsten anzunehmenden Batman bersten vor Hohn über diejenigen, die bisher in aller Verklemmtheit bemüht waren, die nun freigesetzte Splatter-Natur des Helden zu unterdrücken. Gleichzeitig entfalten seine Werke ein den Achtzigern entnommenes gesellschaftskritisches Aussagepotenzial, das die bisherigen Grenzen des Comic-Genres weit überschreitet: Bei der Darstellung Ronald Reagans kommt das Spitting-Image-Skalpell zur Anwendung. Die slapstickartig kopflosen, in kaum noch verständlichem Gossenslang kommunizierenden Jugendbanden erinnern an ihre wesentlich ernsthafter gemeinten Vorläufer in Stanley Kubricks A Clockwork Orange (1971) oder Walter Hills The Warriors (1979), die die panische Angst der Siebziger vor einer moralisch gänzlich verwahrlosten, sich in kriminellen Gangs organisierenden Jugend projizierten. Bärtige Soziologen referieren im Fernsehen hölzerne Glaubenssätze der zeitgenössischen Medienkritik: Every anti-social act can be traced to irresponsible media input. Given this, the presence of such an aberrant, violent force in the media can only lead to anti-social programming. Damit ist Batman auch geschwind zur Staatssache geworden: A ruthless, monstrous vigilante, striking at the foundations of our democracy, maliciously opposed to the principles that make ours the most noble nation in the world – and the kindest. Es handelt sich dabei um diejenigen Prinzipien, die in der Regel durch Superman verteidigt werden. Nur logisch, dass Ronald Reagan persönlich den blauroten Metropoliten ins Weiße Haus zitiert und ihm den Auftrag erteilt, den durchgeknallten Fledermauskollegen zur Vernunft zu bringen. Wie so viele vor ihm muss Superman, der bisher damit beschäftigt war, im Dienst des nordamerikanischen Militärs sowjetische Panzerrohre zu verbiegen, nun feststellen, dass da mit vernünftig-logischen Argumenten nichts auszurichten ist. Vor der Kulisse eines gerade ausbrechenden Dritten Weltkriegs kommt es also zum hochsymbolischen Duell, und Batman kann seinen Ekel vor der bürgerlich-unterwürfigen Mentalität seines Gegners nicht mehr verbergen: You always say yes – to anyone with a badge – or a flag – no good.

Millers Werk entwickelt die bisher immer hart am Rande der Lächerlichkeit wankende, schmerzhaft komplexitätsreduzierte Teenager-Ästhetik Batmans zu einem genre- und diskursübergreifenden Füllhorn des zynischen Kommentars. The Dark Knight Returns präsentiert uns den Helden als fleischgewordene Provokation, deren Mission darin besteht, jeden zu brüskieren, der sich erlaubt, irgendeiner Form kollektiven Selbstbetrugs anzuhängen – und mit diesem Auftrag ist die Fledermaus in der ideologisch stark polarisierten Ära des Kalten Krieges natürlich genau richtig. Medienkompetent bewaffnet sie sich aus dem Fundus des jener Tage populären Macho-Einzelgängers: Millers Batman sieht nicht nur so aus, als habe er im selben Fitness-Studio wie Arnold Schwarzenegger und Sylvester Stallone trainiert, auch die Ästhetik der Strips orientiert sich deutlich an Pointenschema und Schnitttechnik des frühen 80er Jahre Action Films im Stil Commando (1985), Terminator (1984) oder Cobra (1986). So begegnen wir mehrfach dem klassischen Muster:

1.brisante Situation
2.radikale Lösung, möglichst mit Todesfolge oder zumindest schwerer Verletzung
3.trockener Spruch.

So ausgerüstet, besteht der Held mit Nachdruck auf der rückhaltlosen und medienwirksamen Offenbarung seiner gewalttätig-fiesen Seite, die in Millers Comic eine enttarnende Kettenreaktion in den ständig mitbeobachteten öffentlichen Diskursen auslöst. Das Ergebnis ist ein komplexes Erzählwerk von raffinierter Ästhetik und hohem satirischen Rang, das die gängigen Schemata bisheriger Batman-Comics radikal sprengt und deren Niveau in jeder Hinsicht meilenweit unter sich lässt. Diente Batman zuvor oftmals als Projektionsfläche für unbeholfen belehrende Moralmerksätze im Grundschulfibelstil, die schulmeisternd auf seinen dark look antworteten, so dreht er jetzt tatkräftig den Spieß um und durchleuchtet boshaft deren flachwurzelnde Argumentation. Die ebenfalls über Fernsehsendungen eingespielte Affirmation dieses Verhaltens kommt im Gegenzug als unheimliche Bewunderung des heiklen Selbstjustizphänomens daher:

We live in the shadow of crime, with the unspoken understanding that we are victims – of fear, of violence, of social impotence. A man has risen to show us that the power is, and always has been, in our hands. We are under siege – he’s showing us that we can resist.

Millers Buch erzählt außerdem zeitgemäß vom Offenbarungseid des demokratischen Gesellschaftsmodells unter dem Damoklesschwert totaler nuklearer Vernichtung. Es ist der brave Superman, der nicht verhindern kann, dass ein sowjetischer Sprengkopf die Stromversorgung Amerikas ausschaltet und so eine Massenpanik auslöst. Und es ist der düster-brutale Batman, der als einziger noch im Chaos imstande ist, die Zivilbevölkerung paramilitärisch zu organisieren und so für eine zwar radikale, aber immerhin vorhandene Ordnung zu sorgen. Als Führerfigur kollektiv organisierter Selbstjustiz wird die Fledermaus so zum symbolischen Seitenhieb auf den klassischen US-Paranoiker, der mit dem Katalysator sowjetischer nuklearer Bedrohung ständig nervöser wird, heimlich im Keller Schrotflinten absägt – und diese schließlich irgendwann auch benutzt. An der Schwelle zu einem archaisch-postatomaren Szenario à la Mad Max kommt es dann schließlich zum finalen Duell der kostümierten Weltanschauungen.

Es ist nur eine der zahlreichen Leistungen dieses beeindruckenden Werks, endlich die dunkel-gewalttätige Seite der Fledermaus zum Vorschein gebracht zu haben. Als Nemesis der moralisch-politischen Scheinheiligkeit westlicher Gesellschaften wird Batman zum schonungslos enttarnenden Spiegel diverser öffentlicher Diskurse. Bei diesem Job bleibt ihm freilich wenig Freizeit für die Entwicklung einer eigenen Individualität. Vor dem Hintergrund der demütigenden Vorgeschichte der Fledermaus geht es bei Miller in erster Linie um breit angelegte Vergeltung, weniger aber um die erhellende Bearbeitung einer sehr erklärungsbedürftigen Psyche. Anstelle von Aufklärung bleibt der Glaube: We must believe that our private demons can be defeated. Die Frage, wie das gehen soll, bleibt im Raum stehen. Im Gesamtbild führt dies zu einer Verhärtung der Fronten: Entschärfer vs. Extremisten.

Ende der Achtziger lässt sich die Situation im Großen und Ganzen so zusammenfassen: Über der verflixten Traumageschichte haben sich Batman und seine Erzähler langsam immer mehr auseinandergelebt. Letztere haben es satt, sich ständig mit einem widerspenstigen Halbanarchisten herumzuschlagen, der es einfach nicht lassen kann, ihre schöne Erzähllogik mit seiner destruktiven Unberechenbarkeit zu zertrümmern. Ersterer ist über der wachsenden Einsicht, nicht verstanden zu werden, zunehmend verbittert geworden und erledigt seinen Job zwar nach wie vor gewissenhaft und routiniert, aber merklich nicht mehr mit der rechten Leidenschaft – wenn er nicht gerade in einem cholerischen Anfall durchdreht und um sich schlägt. Das jahrzehntelange Gerangel hat außerdem einen Helden zurückgelassen, der sich durch die chronische Verdrängungstaktik seiner Schöpfer trotz – oder besser gerade wegen – aller Ambivalenz und symbolischer Differenziertheit durch ein deutliches Defizit auszeichnet: eine skandalös unterkomplexe Innenseite.

Dieses Defizit – eine stille Anklage an diejenigen, die über einen Zeitraum von fünfzig Jahren nicht in der Lage waren, es zu beheben – ist den Batmanmachern der späten Achtziger immer noch ein Dorn im Auge. Während sich die enttäuschte Fledermaus in den Strips immer weiter in die narrativ nicht erfassbare Dunkelheit zurückzieht, aus der sie hervorgegangen ist, entschließen sich ihre Erzähler daher in einer offenbar groß angelegten Verschwörung zu einem Hinterhalt: Der Kerl ist einfach zu kompliziert geworden für eine Comicfigur – und zu gefährlich. Wir müssen ihn irgendwie loswerden.

Der Angriff ist massiv und erfolgt an zwei Fronten: Kinoleinwand und Animated-Sektor.

1989 erscheint mit Tim Burtons Batman der erste wirtschaftlich ernsthafte Fledermaus-Kinofilm. Mit Jack Nicholson als Jack Napier alias Joker, Kim Basinger als journalistische Sexbombe Vicki Vale, und als Batman: Michael Keaton.
Hier durchfährt den routinierten Kinogänger ein erstes Stutzen. Michael Keaton? War das nicht dieser hektische Halbkomiker mit dem beginnenden Schmerbauch und dem hohen Haaransatz, der immer so wirkt, als sei er einen Kopf kleiner als alle anderen? Was um alles in der Welt hat der mit Jack Nicholson und Kim Basinger zu schaffen? Unwillkürlich denkt man an den schmalbrüstigen Adam West und die Klamaukserie aus den Sechzigern. Sie werden doch nicht etwa... Zitternd löst man die Kinokarte.

Doch Burtons Film erweist sich nicht als Gelächterattacke à la 1966, sondern als etwas, das den Tod der Fledermaus gar nicht erst konstruieren muss, weil es ihn bereits voraussetzt: ein Requiem. Enzyklopädisch werden alle wesentlichen Bestandteile des bekannten Batman-Universums aufgezählt und zu einer brav logischen, runden und abgeschlossenen Erzählung zusammengebogen, in der sich alles irgendwie gegenseitig oder selbst erklärt. Die Geschichte spart sich eine nähere Analyse der traumatischen Geburt und setzt ein, als die Fledermaus schon längst in Gotham angekommen und in aller Munde ist: Zwei Gauner, nach einem nächtlichen Überfall auf einem Hausdach ihre Beute teilend, unterhalten sich über einen neulich zu Tode gestürzten Kollegen: They say the bat got him. Doch Batman verbreitet nicht nur über Mundpropaganda Furcht, sondern auch über die örtliche Presse: Every punk in this town is scared stiff. They say he can’t be killed. They say he’s drinking blood. They say… So spricht man über Legenden, und Legenden neigen dazu, schon lange tot zu sein. Das bestätigt auch der schließlich im Bat-Kostüm auftauchende Michael Keaton. Nicht nur, dass er sich als von dem ihm vorauseilenden Ruf hoffnungslos überfordert zeigt, er wird zudem – aber das war zu erwarten – vom Gespann Nicholson/Basinger gnadenlos an die Wand gespielt. Und dann dieses Kostüm... Es leuchtet ja ein und sei auch zugestanden, dass es schwer sein dürfte, einen halbwegs fähigen Schauspieler aufzutreiben, der über Körperbau und Muskelrelief des späten Comic-Batman verfügt. Das dunkle Stretch-Dress der Strips wird daher im Film durch einen rüstungsartigen kugelsicheren Panzer ersetzt, nun gut. Aber muss es wirklich sein, dass dieser Panzer die ursprünglichen Muskeln auf seiner Oberfläche simuliert, und vor allem: muss sich hinter dem derart muskulösen Panzer dann ausgerechnet... Michael Keaton verbergen? Der Kontrast zwischen innen und außen könnte kaum größer sein.

Ein uraltes und unumstößliches Comic-Gesetz lautet: Der Gegner ist der Spiegel des Helden. Das weiß auch Tim Burton, und er unternimmt den heimtückischen Versuch, das Spiegelbild zu entschärfen, um so die Fledermaus quasi über die Bande abzuschießen: Jack Napier, ein Unterboss der örtlichen Mafia, wird beim nächtlichen Einbruch in eine Chemiefabrik von Batman gestellt, der ihn bei dem nachfolgenden Handgemenge in ein Becken mit ätzend-grünlichen Chemikalien fallen lässt – ob aus Versehen oder mit Absicht, bleibt unklar. Ergebnis des 'Unfalls’ ist jedenfalls der ständig grinsende Joker, der nun endgültig alle Skrupel fahren lässt und Gotham City mit chemisch verseuchten Lebensmitteln und Kosmetika überschwemmt, damit alle dasselbe Schicksal erleiden wie er selbst. Während Bruce Wayne im Batcave fieberhaft nach einem Antidotum forscht, fällt ihm nebenbei auf, dass Napier genau so aussieht wie der Gangster, der damals seine Eltern umgebracht hat. Das ist für die gefällige Abgeschlossenheit der Erzählung natürlich überaus praktisch. I made you, but you made me first, klärt Batman den Joker auf, bevor dieser ein zweites und letztes Mal fällt – nicht in ein grünes Becken, sondern auf den weitaus verlässlicheren Asphalt. Schön und gut. Es gibt nur ein Problem: Wieso rennt Bruce Wayne nach dem Tod des Erzfeindes immer noch als Fledermaus herum? Wieso wird er nicht Anwalt oder Polizist oder sonstwas bürgerlich-normales? Wieso muss in Burtons Fortsetzung von 1992 (Batman Returns) wieder eine ähnliche Veranstaltung mit dem Penguin aufgeführt werden? Reicht der Tod des Elternkillers etwa nicht aus, um Waynes Rachegelüste zu befriedigen? Wieso existiert der Held immer noch, wo doch sein identitätsstiftender Spiegel zertrümmert wurde? War vielleicht doch das Ei vor dem Huhn da?

Dem optischen Bastler Burton (Edward Scissorhands, Nightmare before Christmas, Sleepy Hollow etc.) kam es eben mehr auf die – zugegebenermaßen recht gelungene – filmische Reproduktion des Comic-Umweltdesigns an als auf eine intelligente Geschichte. Die hätte sich nämlich dieser oder ähnlicher Fragen angenommen. So aber erleben wir statt einer heißersehnten cineastischen mythopoetischen Bearbeitung eine bloße Bestandsaufnahme des bisher Bekannten bzw. Unbekannten, die als nostalgische Retrospektive daherkommt: Ach, diese Batman-Comics, das waren Zeiten. Die hatten wir doch alle mal im Kinderzimmer liegen. Nun ist es aber gut, wir sind erwachsen geworden und feiern eine letzte große Batman-Abschiedsparty. Prince ist auch eingeladen und macht den Soundtrack. Und Michael Keaton im hoffnungslos zu großen Batman-Anzug scheint uns ständig von der Leinwand heimlich zuzuzwinkern, als wolle er uns sagen: Ich bin eigentlich gar nicht der richtige Batman. Als Vierzehnjähriger war ich aber sein größter Fan, und deswegen habe ich jetzt diese Rolle angenommen – mit einem Schmunzeln natürlich. Damit wäre die Sache dann auch erledigt. Batman ist tot, es lebe Batman. Die faden Nachfolger Batman Returns (1992), Batman Forever (1995) und Batman & Robin (1997) haken noch gelangweilt Penguin, Two-Face, Riddler und den bunten Adlatus ab, damit die abschließende Bestandsaufnahme auch wirklich vollständig ist. Schon 1995 hatte Burton selbst keine Lust mehr, bei dieser Farce Regie zu führen und sahnte fortan nur noch als Produzent ab. Der alberne Keaton wurde immerhin durch den einigermaßen auftrainierten Val Kilmer ersetzt, aber das ist auch schon alles. Der Batman, den wir kennen – oder besser: den wir gern kennen gelernt hätten –, kommt zu den Akten.

Nach dem cineastischen Dolchstoß setzen die Königsmörder pünktlich zum neuen Millenium einen akribisch durchdesignten Nachfolger auf den Thron: Batman Beyond, die neue Zeichentrickserie, präsentiert uns die Fledermaus des 21. Jahrhunderts, gar dritten Jahrtausends. Als Bruce Wayne bei einem seiner Batman-Einsätze einen Herzanfall erleidet und zu einer Schusswaffe greifen muss (!), um sich zu retten, sieht er ein, dass er für diesen Job langsam zu alt wird. Nach anfänglichen Widerständen akzeptiert er schließlich den siebzehnjährigen Highschool-Schüler Terry McGinnis als seinen Nachfolger. Mit McGinnis haben sich die Batman-Erzähler einen jahrzehntealten Traum erfüllt: Endlich dürfen sie den unproblematischen Helden zusammenbauen, den sie sich schon immer gewünscht haben. Der wichtigste Baustein besteht natürlich in einem Gegenmodell zum verhassten Trauma. So verlor Terry nicht seine gesamte Familie, sondern nur seinen Vater, der ermordet wurde. Das macht Platz für die neue Vaterfigur Bruce Wayne und lässt gleichzeitig die Psyche des neuen Zöglings trotz einer schlimmen Erfahrung weitgehend intakt: Er lebt mit seinem Bruder und seiner Mutter zusammen, lernt für die Schule, geht auf Parties, macht mit Mädchen rum etc. Ein ganz normaler Teenager, nur eben aufgrund seines frühen, aber nicht totalen Verlusts vielleicht etwas reifer und ernsthafter als die Anderen. Auf keinen Fall aber ein Außenseiter: normale Freunde, die üblichen Probleme und sozialen Zurechtfindungsversuche in der Schule, intakte Familie. Alleinerziehende Mütter sind heutzutage schließlich nichts Ungewöhnliches. Man kommt sich im Gegenteil ja fast schon komisch vor, wenn man in einer gut funktionierenden Ehe lebt.

Das klassische Superheldendilemma der Persönlichkeitsspaltung bekommt ein ähnlich auflockerndes Zeitgeistdesign verpasst: Terry betreibt seine Fledermauseinsätze etwa so wie seine Altersgenossen das Freeclimbing oder Snowboarden. Was früheren Generationen als unheimliche psychische Krankheit galt, zelebriert der coole Teenager unserer Tage im Zeichen der Schlüsselqualifikation 'Flexibilität’: die Kunst der multiplen Persönlichkeit. Während man bereits in der Schule mit kaltem Karriereblick die Weichen für das spätere Informatik- oder Wirtschaftsmathematikstudium stellt, wählt man zum Ausgleich eine möglichst extreme lifestyle-Sportart, um das irrational-psychotische Potenzial seiner Identität zu binden. Locker-flockig surft das so zusammengesetzte Gesamtbild auf eine Laufbahn als Programmierer bei Microsoft oder dergleichen zu.

Entscheidend für den Erfolg bei genannten Sportarten ist das geeignete Equipment. Dabei kommt es neben Verarbeitung, Gleitfähigkeit, Belastbarkeit etc. vor allem auf die richtige Marke und das richtige Design an: Mit dem Board vom letzten Jahr lässt sich schon auf der heurigen Piste vor allem deswegen kein Blumentopf mehr gewinnen, weil die aufgepinselten tribals einfach zu retro kommen. So besitzt auch Terry eine outdoor-Ausrüstung, die den neuesten Stand der Weltraumfahrttechnik mit einem topaktuellen Batman-Design verschmilzt: Der neue Batsuit ist schnittiger, funktionaler, ökonomischer als sein rührender Vorläufer, der höchstens noch für Faschingsfeste mit 80er Jahre-Motto taugt. Er ist mit einer Vielzahl technischer Gimmicks ausgestattet, die sozusagen die Schlüsselkompetenzen des Batmobile integrieren und den Träger des Anzugs zu einer hochtechnisierten Kampfmaschine à la Universal Soldier machen. Jede Spur weinerlicher Nostalgie wurde erbarmungslos wegrationalisiert, stattdessen zählen coolness und technologische Effizienz. Die ganze Technik klärt außerdem die Sache mit den Superkräften. Als Highschool-Klon des neuen Jahrtausends ist Terry selbstverständlich akkurat durchtrainiert und topfit wie alle seine Altersgenossen, darüber muss man nicht weiter diskutieren. Alles, was über dieses normale Maß hinausgeht, ist jedoch Effekt eines überlegenen instrumentellen Intellekts (lustigerweise des alten Batman, der den Anzug noch entworfen und konstruiert hat), der sich in einer hocheffizienten technischen Ausrüstung niederschlägt. Wozu also noch ein Trauma? Der neue Batman ist nicht unbeabsichtigte Spätfolge eines psychischen Schocks, sondern das sauber und eiskalt durchgeplante Produkt hochbezahlter Industriedesigner. Und der dark look ist keinesfalls Symptom einer unberechenbaren Psychose, sondern eben einfach – sein style.

Ist man Anhänger der Verschwörungstheorie, so hat Burton für diesen absurden Generationenwechsel ganze Vorarbeit geleistet. Vergleicht man hingegen seine Filme mit der Vorgeschichte der Fledermaus, so passiert ihm einfach das, was schon unzähligen Batman-Erzählern vor ihm passiert ist: Er verfehlt den psychologischen Motor seines Helden, indem er die zentrale, wenn auch unbequeme Frage vermeidet: Wie wird der Hass auf einen einzelnen Verbrecher zum Hass auf das Verbrechen schlechthin? Das ist der Schritt, der Batman seine Superkräfte verleiht und den uns auch Burton nicht hinreichend zu erläutern vermag. Es bleibt sein Verdienst, der Fledermaus zum Sprung auf die Leinwand verholfen zu haben – wenn auch freilich im Gestus der abschließenden Bestandsaufnahme. Dieser bisher letzte Versuch, den alten, unliebsamen Helden auf Eis zu legen, machte aber letztendlich trotz des nie gekannten finanziellen Aufwands denselben Fehler wie alle seine Vorläufer: Er unterschätzte die Zähigkeit seines Opfers gewaltig. Zwar totgeglaubt, tatsächlich aber nur in eine Art Winterstarre verfallen, baumelt die anachronistische Fledermaus seit den Neunzigern an der Decke irgendeiner abgelegenen, tiefen Höhle weit unterhalb jener gefälligen narrativen Logik, mit der ihre Gegner in fahrlässiger Naivität glauben, sie endgültig erledigt zu haben, und wartet. Sie weiß, dass sich die Menschheit der Faszination des dark look auf Dauer ja doch nicht entziehen kann. Und sie weiß, dass sie neuerdings mit einer zusätzlichen Medienoption versehen ist. Bald wird sie wieder an der Oberfläche erscheinen und die westliche Hemisphäre mit Angst und Schrecken überziehen – wie in alten Zeiten. Alles was sie braucht, ist ein geeigneter Erfüllungsgehilfe. So übt sie sich in Geduld und im Vertrauen, dass früher oder später der Richtige kommen wird.

Die Fledermaus muss nicht lange baumeln und warten. Der Richtige kommt 2005 und heißt Christopher Nolan. Nolan ist eine Art cineastischer Psychotherapeut, der sich auf hoffnungslose Fälle spezialisiert hat. Zu seinen Patienten zählt etwa FBI-Agent Will Dormer, der von einem Kollegen unter vier Augen beschuldigt wird, Beweise gefälscht zu haben, um einen juristisch nicht überführbaren Schwerverbrecher aus dem Verkehr zu ziehen (Insomnia, 2002). Kurz darauf erschießt Dormer den wissenden Partner im Nebel auf der spektakulären Jagd nach einem Serienkiller – aus Versehen? Dormer weiß es selbst nicht und wälzt sich darob in Schlaflosigkeit: Wahr oder falsch, gut oder böse? Oder da wäre der Fall Leonard Shelby, dessen Frau bei einem Überfall brutal vergewaltigt und ermordet wurde (Memento, 2001). Er selbst erlitt dabei eine Kopfverletzung und kann seither keine neuen Erinnerungen bilden. Shelby ist so etwas wie Nolans identitätsstiftender Präzedenzfall: Die Mission gegen das Böse, die sich verselbständigt hat. Der Film handelt davon, wie Shelby den Mörder sucht und sich mangels Erinnerung schriftlicher Notizen und einer Polaroidkamera bedient, um die Ergebnisse seiner Recherchen festzuhalten und zu vernetzen. Die wichtigsten Informationen sind auf seinen Körper tätowiert, am Exponiertesten seine Mission den Mörder betreffend: Find him and kill him. Sein Helfer Teddy stellt Shelbys Motivation infrage: Hat dieser den Killer bereits umgebracht, oder gibt es überhaupt keinen Killer und Shelby hat sich die ganze Geschichte mit dem Überfall nur zurechtkonstruiert, um sein eigenes Verschulden am Tod seiner Frau zu verdrängen? Er will es nicht wissen, tötet Teddy und macht weiter wie bisher. Er will die Wahrheit nicht kennen. Er will den Mörder seiner Frau finden. Es tut nichts zur Sache, ob dieser überhaupt existiert oder nicht. Die Aufgabe ist in Spiegelschrift auf seine Brust tätowiert. Sie ist zum Selbstzweck geworden.

Shelbys Mission weist ihn zunächst durchaus als Kämpfer für das Gute und die Gerechtigkeit aus, auch wenn es sich dabei – nun ja – um Selbstjustiz handeln mag. Die zunehmende Fragwürdigkeit seiner Motivation macht ihn uns jedoch immer suspekter und moralisch ambivalenter. Bevor Teddy sterben muss, weil er zu viel weiß und daher die Mission gefährdet, gibt er seinem psychisch geschädigten Freund zwei Sätze mit auf den Weg, die auf diesen Widerspruch abzielen und allen bisherigen Nolan-Filmen als Motto voranstehen könnten: You walk around playing detective. Well, maybe you should start investigating yourself´. Dieses Motto gilt selbstredend auch für Nolans Batman-Film. Er nimmt damit genau die innere Unterkomplexität der Fledermaus ins Visier, der alle bisherigen Erzähler ängstlich auswichen. Der mythopoetische Prozess geht weiter: Batman Begins.

Im Jahr 2005 übernimmt Gotham City als größte Stadt der Welt eine repräsentative Funktion für die Menschheit, und um diese steht es schlechter denn je: Der Kampf zwischen Gut und Böse hat apokalyptische Ausmaße angenommen. Wieder einmal befinden wir uns hart an jener moralischen Schmerzgrenze, deren Überschreitung im letzten bekannten Fall die Sintflut nach sich zog. Das Böse ist einfach zu verlockend. Immer mehr Menschen zieht es in seinen Bann und wird so zur normensetzenden Kraft des politischen Apparats, des Gesellschafts- und Wirtschaftssystems. In einem kleinen Restaurant mitten in der Stadt sitzt der örtliche Gangsterboss Carmine Falcone, ihm gegenüber der junge Bruce Wayne, der von ersterem folgendermaßen über die Lage aufgeklärt wird: An den Nebentischen sitzen verschiedene hohe Funktionäre aus dem Gerichts- und Polizeiapparat. Trotzdem könnte ich dich jetzt erschießen, und niemand würde mich dafür zur Rechenschaft ziehen. That’s the power of fear.

Die Furcht muss eine mächtige Waffe sein. Und bei aller verlockender Effektivität ist auch gleich ihre grundlegende Problematik mit dabei: Sie ist die Waffe der Bösen. Wenn man zu den Guten gehört, darf man sie also auf keinen Fall benutzen, oder? Diese so unschuldig realitätsferne Frage erhält im Universum der Comic-Helden, wo die Grenze zwischen Gut und Böse klar gezogen zu sein pflegt, den Rang eines philosophischen Theorems höchsten Schwierigkeitsgrads. Der Film erzählt davon, wie der junge Bruce Wayne sich aufmacht, die darin eingebauten moralischen Fallstricke zu meistern, um sich für seine spätere Aufgabe als Schrecken verbreitender Fledermausmann zu rüsten: to turn fear against those who prey on the fearful. Bei Nolan lernt Batman, seine unheimliche, mangels überzeugender Herleitung bisher immer auch irgendwie am Rande der Lächerlichkeit balancierende Fledermaussymbolik von innen zu stützen und ihr so die schon lange notwendige Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit zu verleihen. Und er lernt gleichzeitig, seine erste und wichtigste Waffe zu schärfen und in nie gekannter Virtuosität zu handhaben: die Furcht.

Das Erfolgsgeheimnis des Films besteht darin, dass sein Regisseur sich mit seiner geflügelten Hauptfigur verbündet, statt sie zu bekämpfen. Was seine Vorgänger verdrängen und vertuschen wollten, will Nolan explizieren und präsentieren – und zwar ohne jede nostalgische Distanz à la Tim Burton, sondern ganz im Bewusstsein, dass der Mythos immer von der aktuellen diskursiven Nachfrage seiner Rezipienten deformiert zu werden hat. Dabei verliert er nie die Fühlung zum bisherigen mythopoetischen Werdegang der Fledermaus, was eine höchst gelungene Mischung aus Originalität und Kontinuität zur Folge hat. Entscheidend dafür bleibt die Verschwörung, die Nolan von Anfang an mit seinem Helden eingeht. Einladend lässt er Batman auf seiner Couch zur Therapie Platz nehmen, und diesmal ist nicht irgendein hergelaufener psychologischer Doktor Eisenbarth am Werk, sondern ein Vollprofi mit einschlägiger Erfahrung in der Behandlung ähnlicher Fälle. Nolan bearbeitet seinen Patienten mithilfe zahlreicher Nebenfiguren, die er unbequeme Fragen an diesen richten lässt und so nach und nach hervortreibt und zusammenbaut, was ihm als erstem in einer akzeptablen Form gelingt: die logische Vernetzung der Zutaten des dark look.

Wichtigstes Sprachrohr des so behandelnden Regisseurs ist ein gewisser Henri Ducard, der Bruce Wayne irgendwo im Himalaya über den Weg läuft. Nach dem Tod seiner Eltern vom Rachedurst geplagt, reist Wayne um die Welt und lässt sich als Gesetzesbrecher in die miesesten Gefangenenlager Chinas internieren, um dort Schwerverbrecher verstehen zu lernen und bei jeder Gelegenheit zu verprügeln. So hat sich der junge Princeton-Student mit den Jahren in einen schmutzüberkrusteten, unrasierten Schläger transformiert, der es immerhin fertigbringt, sechs finstere Typen auf einmal zu verdreschen. Das ist zwar schon recht beeindruckend. Für den Batman-Anzug reicht es aber noch lange nicht. Ducard, Chef eines okkulten Ninja-Ordens, der sich dem Kampf für die Gerechtigkeit verschrieben hat, weiß hier Rat und Hilfe. Er bietet Wayne eine Fortbildung in seinem versteckten Kloster an, nach deren Ableistung dieser in der Lage sein werde, nicht nur sechs, sondern sogar sechshundert Gegner zu besiegen. Nolans durch den Mund Ducards an den heruntergekommenen Wayne gemachter Vorschlag verspricht das, was alle bisherigen Erzähler bemüht waren, der Fledermaus vorzuenthalten: Wenn du mit mir gehst und dich meiner Regie anvertraust, bekommst du das, was du schon immer gesucht hast: ein funktionstüchtiges Trauma, das du kontrollieren und deinem Willen unterstellen kannst. Es wird dir übermenschliche Kraft verleihen und dich dazu befähigen, den Schritt von sechs zu sechshundert zu tun, den Schritt vom Schläger zum Superhelden, vom Kampf gegen Verbrecher zum Kampf gegen das Verbrechen. Dann wirst du mehr sein als nur ein Mensch, der ein albernes Kostüm anzieht. Du wirst das sein, was du von Rechts wegen eigentlich schon seit Jahrzehnten bist: Eine Legende. Are you ready to begin? Der so angesprochene ist freilich vom jahrzehntelangen Gerangel mit Zeichnern, Textern und Regisseuren ermüdet, was er auch anführt: I can barely stand! Aber was hilft’s! Das Böse schläft schließlich auch nie.

Auch Nolan betreibt die Ausbildung Waynes als Kombination aus körperlichem und mentalem Training. Batman trainiert nun aber nicht mehr in verstaubten Turnhallen an anachronistischen Sportgeräten wie Barren und Ringen. Er wird in einem Himalaya-Kloster unter härtesten physischen und klimatischen Bedingungen zum Elite-Ninja gedrillt, der sich nach Belieben unsichtbar machen kann, Rauchbomben wirft und wie der Blitz aus dem Hinterhalt über seine Gegner kommt, bevor diese begreifen, was überhaupt los ist. Der Kampfsport-Drill wird ergänzt durch eine sukzessive Konstruktion der Wayneschen Innenseite, die Nolan nach und nach durch geschickt eingestreute Rückblenden und deren Kommentierung und Vernetzung im Therapiegespräch zwischen Bruce und seinem neuen Ausbilder aufbaut. Die Anleitung zur inneren Stabilisierung ist übersichtlich und stundenplanartig strukturiert:

1.Um die Furcht gegen andere einzusetzen, musst du erst deine eigene Furcht überwinden
2.Um die Furcht zu überwinden, musst du selbst zur Furcht werden
3.Unterschätze nie die Wirkung eines dramatischen Auftritts

Schon diese Anweisungen sind derart aufgebaut, dass ihre gesammelte Ausführung auf die Behebung des altbekannten inneren Defizits hinausläuft: 1. Woher die Superkräfte? 2. Warum Fledermäuse?

Nolans erklärendes Konstrukt ist zunächst von verblüffender Einfachheit, aber gerade das macht es in der komplexitätsreduzierten Realität des Comic-Universums so glaubwürdig. Gleichzeitig verbirgt sich hinter seiner simplen Struktur das wohlüberlegte psychische Fundament des späteren geflügelten Verbrechensbekämpfers: Als Kind fällt Bruce beim Spielen im Park seiner Eltern in einen stillgelegten Brunnenschacht, der in einer dunklen unterirdischen Höhle endet. Dort nisten zahllose Fledermäuse, die nun, durch den Sturz aufgeschreckt, aus der Dunkelheit in den Schacht hinauffliegen und das Kind dabei in ihren unheimlichen Schwarm hüllen. Als Thomas Wayne sich in den Brunnen abseilt, um seinen Sohn zu bergen, ist dieser immer noch starr vor Entsetzen. Seither wird Bruce von Albträumen geplagt, die ihn bis ins Erwachsenenalter verfolgen sollen. Albträume von Fledermäusen. Als er einige Zeit später mit seinen Eltern die Oper besucht, erweckt die düstere Inszenierung der Aufführung die Erinnerung an den früheren Sturz. Bruce erleidet eine Panikattacke und fleht seine Eltern mitten in der Vorstellung an, mit ihm hinauszugehen. Draußen, am Hintereingang der Oper, wartet Joey Chill, der die drei überfällt und Thomas und Martha vor den Augen ihres Sohnes erschießt.

Auf diese Weise verknüpft Nolan eine symbolversehene universale Ur-Angst, intensiviert durch ein Kindheitstrauma, mit einem Schuldkomplex, der massiver nicht zu denken ist, da er den Verlust beider Eltern betrifft: Hätte ich in der Oper keine Angst bekommen, dann wären wir nicht früher hinausgegangen, dann wäre der Überfall nicht passiert, und dann wären meine Eltern noch am Leben. Diese für das spezifische Schicksal Bruce Waynes verantwortliche Angst reicht jedoch in eine überpersönliche, gleichsam evolutionär verordnete und daher universale Tiefe, die jedem Menschen mehr oder weniger bekannt ist, wenn auch in jeweils unterschiedlichen Ausformungen: Der eine hat panische Angst vor geschlossenen Räumen, der andere vor tiefen Abgründen oder Wasser, der nächste vor Schlangen oder Spinnen. Bei Bruce Wayne sind es eben Fledermäuse. Sie repräsentieren jene unheimlich-instinktive, in der Regel irrationale (!) atavistische Ur-Angst, die uns alle irgendwann einmal plötzlich bleich, starr und schwitzend werden ließ, ohne dass wir irgend etwas dagegen tun konnten. Nolans im Ninja-Kloster angewandter Trick ist ebenso einfach wie genial: Mit seiner spezifischen Furcht besiegt Bruce Wayne gleichzeitig die Furcht schlechthin, und diese psychologische Basis spiegelt sich auf der Ebene seines Charakterdesigns als Schritt vom Kämpfer gegen einzelne Verbrecher zum Kämpfer gegen das Verbrechen schlechthin. Warum also Fledermäuse? So fragt auch Bruces treuer Butler Alfred interessiert an unserer aller Stelle. Die Antwort ist von entwaffnender Ehrlichkeit: I’m scared of bats. Benenne und beherrsche.

Nach abgeschlossener Ausbildung nach Gotham zurückgekehrt, erhält die psychisch stabilisierte und hochtrainierte Fledermaus das passende technische Drumherum. Auch dabei bewährt sich das Prinzip, die eigene Angst gegen den Gegner zu wenden und ihn mit den eigenen Waffen zu schlagen. Wayne Industries, das Imperium des Vaters, hat sich in Bruces Abwesenheit in der Hand korrupter Manager in einen Rüstungskonzern verwandelt. Im Zeitalter von Globalisierungsdiskussion und Kapitalismusdebatte tritt uns so das Böse mit der hässlichsten denkbaren Fratze einer entfesselten Marktdynamik gegenüber: die hitech-Kriegsindustrie. Bruce Wayne tut sich mit Lucius Fox zusammen, einem unbequem gewordenen Wissenschaftler, der zum Lageristen für den Prototypenfundus des Konzerns degradiert wurde. In seinem Reich findet sich sündhaft teure und daher nie in Serie gegangene Kriegsmaschinerie, aus der sich Wayne eifrig bedient, um seine Bat-Ausrüstung zusammenzusetzen: Ein kugelsicherer Brustpanzer für Infanteriesoldaten, ein Textilstoff, der sich auf Knopfdruck zu jeder beliebigen Form verhärtet und und und. Das Batmobile kommt als rasanter Panzer daher, und die Fledermausmaske ist außer für den dramatischen Auftritt auch noch als superstoßfester Schutzhelm gut. Batmans Ausrüstung ist die eines Spezialkommandosoldaten der Zukunft im Anti-Terror-Einsatz, doch diesmal verbirgt sich hinter dieser technischen Außenhaut weder ein lächerlicher schmerbäuchiger Nostalgiker noch ein siebengescheiter Highschool-Schnösel, sondern eine knallharte, durch nichts aufzuhaltende Killermaschine mit hieb- und stichfest konstruiertem traumatischen Motor, ein zu lautlosem Töten ausgebildeter Elite-Ninja. Der Batmaniac möchte weinen vor Glück und ausrufen: Endlich! Endlich stimmen innen und außen überein!

Der Konstruktion folgt der Jungfernflug. Bei seinem ersten Einsatz, bei dem Batman quasi als Fingerübung den längst nicht mehr satisfaktionsfähigen Drogenboss Falcone kaltstellt, enthüllen sich weitere angenehme Details. Nolans Fledermaus hat bei Ridley Scotts Alien gelernt: Sie versetzt ihre Gegner vor allem mit dem in Angst und Schrecken, was diese nicht von ihr sehen. Als Falcone im Gefängnis sitzt, wird es Zeit für den ersten Superschurken. Auch Nolan kennt wie Burton das Comic-Gesetz vom Spiegelgegner. Aber statt es gegen seinen Helden zu verwenden, wählt er einen Bösewicht, der dazu geeignet ist, die brandneue psychologische Schlagkraft Batmans zu testen und gleichzeitig noch zu steigern: Dr. Jonathan Crane alias Scarecrow (vgl. etwa The Brave and the Bold 197, 1983: The Autobiography of Bruce Wayne), ein durchgeknallter Irrenarzt, der seinen Patienten halluzinogene Drogen verabreicht, die versteckte Ängste freisetzen. Batman findet ein Antidotum – und gibt dem Doktor seine eigene Medizin zu schmecken. Doch Crane ist nur der Handlanger eines noch gefährlicheren Gegners, der kurz darauf eintrifft, um Gotham City in einer Art Sodom-und-Gomorrha-Exempel dem Erdboden gleich zu machen. Im apokalyptischen Endkampf zwischen Gut und Böse verwischen die Fronten, indem die Streiter für Gerechtigkeit in irregeleitetem Fanatismus die totale Zerstörung anstreben und sich zu diesem Zweck derjenigen Kräfte bedienen, die sie ursprünglich zu bekämpfen angetreten sind. Um in dieser moralischen Verwirrung den Überblick zu behalten, braucht es einen außergewöhnlichen Superhelden, der im Unterschied zu seinen Kollegen in der Grauzone zwischen Gut und Böse zuhause ist und gerade deswegen auch in einem derartigen babylonischen Chaos noch in der Lage ist, beide Seiten präzise auseinander zu halten. Die Polizei weiß nicht, wen sie da schicken soll. Und plötzlich gibt es nur noch einen, der zwischen Gotham und einem frühzeitigen jüngsten Gericht steht.

Wollte Burton Batman mittels Spiegelzertrümmerung den Wind aus den Segeln nehmen, so treibt Nolan Gegner auf, die seinen Helden ständig per Reflexion dazu zwingen, Farbe zu bekennen und so mit atemberaubender Geschwindigkeit sein neues, frisches und noch nicht so recht trocken gewordenes Innendesign zu härten. Dabei kommt man natürlich auch nicht um das ärgerliche Du-sollst-nicht-töten-Dogma herum.

Es ist zunächst erstaunlich, dass Nolans Batman sich tatsächlich an dieses Dogma hält. Seine Feinde werden hingegen krankenhausreif erschreckt sowie geprügelt, in den irreversiblen Wahnsinn getrieben und zum Opfer unterlassener Hilfeleistung. Den meisten wäre eine umstandslose saubere Hinrichtung sicherlich lieber gewesen. Die hätte aber bei weitem nicht so viel Schrecken in der Unterwelt Gothams verbreitet, und darum geht es ja schließlich. Gleichzeitig macht Nolan klar, dass das Tötungsverbot für das Charakterdesign des Helden ungeheuer wichtig ist und nicht einfach über Bord geworfen werden kann: Dein Mitleid – so der Ninja-Ausbilder des jungen Bruce, als dieser sich weigert, eine Hinrichtung zu vollstrecken – ist eine Eigenschaft, die deine Gegner niemals teilen werden. Eben, kontert der Schüler. Genau deswegen ist es so wichtig. Es ist das Einzige, was mich von ihnen unterscheidet. So gerät die Gratwanderung zwischen Fiesheit und Moral nicht in alter Manier zum lächerlichen Kostümfest einer übergroßen Fledermaus, die Seminare in der Polizeischule gibt. Nolan macht aus der Not eine Tugend, indem er die wohlbekannte Weisheit beherzigt, dass es wesentlich schlimmere Dinge gibt als den Tod.

Dem neuen Interieur des Helden entspricht ein maßgeschneiderter Lebensraum. Wir erleben Gotham von einem düster-nebligen Schleier eingehüllt, fast wie in Alex Proyas’ Dark City, von dem sich Nolan überdies den Drehbuchschreiber David Goyer ausgeliehen hat. Wie in Batmans neu aufgelegter Heimat geht es auch in der Besetzung herrlich ambivalent zu: Der zuletzt als edler Jedi-Ritter (Episode I) und ideologisch intakter Kreuzfahrer (Kingdom of Heaven) eingesetzte Liam Neeson spielt den Oberbösewicht, während der in der Rolle des Psycho-Schurken lang bewährte Gary Oldman den rechtschaffenen Polizisten und Batman-Verbündeten Gordon gibt – müsste es nicht eigentlich genau umgekehrt sein? Und schließlich erhält auch die bescheidendste und treuste Nebenfigur des Batman-Universums endlich die langjährig verdienten Lorbeeren in Form einer hervorgehobenen Rolle, besetzt mit dem unschlagbaren Michael Caine: Alfred, unerschütterlich korrekter Butler und Vaterfigur des jungen Bruce, der als Einziger in das Geheimnis der doppelten Identität seines Brötchengebers eingeweiht ist (Bester Satz: It’s a miracle nobody was killed!).

Für den Fledermausfan bleibt aber an Nolans Film das Schönste, dass man sich eigentlich immer aussuchen kann, ob die Aussagen und Handlungen seiner Figuren als Bausteine der erzählten Geschichte einen intratextuellen Bezug bilden, oder ob sie mit irgendeiner Stelle der intertextuellen Genese Batmans seit den Vierzigern korrespondieren. In den meisten Fällen ist beides möglich. Damit ist dem Film ein gleichsam ständig mitschwingender Verweis auf die mythopoetische Vorgeschichte seines Helden eingeschrieben, der die Verankerung des neu Erzählten im bisher Erzählten betont. Außerdem wird Nolans Erzählwelt dadurch behutsam auf den cineastischen Zitatefundus geöffnet, was die auch mehrfach genutzte Möglichkeit einer äußerst feinen Ironie bietet. So hätte sich etwa Brad Pitt im Jahr 1997 sicherlich nicht träumen lassen, dass es einige Jahre später ausgerechnet Batman sein wird, der ebenfalls auf die Idee kommt, sieben Jahre in Tibet zu verbringen. Während aber Pitt dabei lediglich eher unspektakuläre Selbstfindungsziele verfolgt, nutzt Batman den Auslandsaufenthalt außerdem zur Anreicherung seines Charakterdesigns mit diversen Fernost-Klischees, die dazu beitragen, den Geist über den Körper triumphieren zu lassen und also die übermenschlichen Kräfte glaubwürdig herzuleiten: Neben der obligaten Reise nach innen besucht der Held etwa auch die 36 Kammern des Shaolin und lernt, körperliche Belastungsgrenzen mit extremer Entschlossenheit und Konzentration aufzuheben. Die Instrumentalisierung des eigenen Traumas verlangt nach scheinbar übernatürlicher Selbstbeherrschung und Willenskraft, und diese Eigenschaften bewundern wir ja mittlerweile schon automatenhaft an jenen Kopfstehern, Ziegelbrechern und Entspannungsatmern, die unsere gestressten Großstädte in den letzten Jahren zunehmend mit Yoga-, Karate- und Meditationsstudios überschwemmen. Vielleicht, so fragt man sich, musste es wirklich erst 2005 werden, bis Batman die Möglichkeit erhalten konnte, sein Trauma auf der Welle eines auf großer Ebene gesellschaftsfähig gewordenen Eso-Zeitgeists zu meistern.

Wie auch immer – die neue Innenverstrebung Batmans füllt glücklich ein schon viel zu lange klaffendes hässliches Vakuum. Sie schafft ein inneres Gegengewicht zu jener superschwer auf seinen Schultern lastenden äußeren Erscheinungsform und dunklen Symbolik, die den Helden über Jahrzehnte einem enormen Rechtfertigungsdruck ausgesetzt hat. Diesen Druck und die zahllosen Mordanschläge derart lange ausgehalten zu haben, ist eigentlich schon übermenschlich genug. Es war klar, dass es dafür irgendwo eine Erklärung geben muss, die dann wiederum die Arbeit an dem fortsetzen wird, was der Fledermausheld ohnehin bereits von seinen ersten Schritten an ist: ein Mythos.

Nach dieser glücklich zu Ende gebrachten, höchst erfolgreichen und für alle Beteiligten befriedigenden Zusammenarbeit wird es nun Zeit für Christopher Nolan, sich von seinem Partner zu verabschieden. Er tut dies in Gestalt Gordons auf einem nächtlichen Hochhausdach, indem er Batman quasi den Therapieerfolg bestätigt und ihn über den zukünftig zu bekämpfenden Joker brieft, für den er jetzt erst wirklich reif geworden ist und auf dessen zukünftigen Reflex wir gespannt sein dürfen, wenn es wieder heißt: Batman begins. Bevor sich die Fledermaus in die Dunkelheit des nächtlichen Gotham verabschiedet, ruft Nolan ihr noch einen Ausdruck des Dankes hinterher: I never said thank you! Batman dreht sich noch einmal um und antwortet, ganz im Geist des selbstlosen Verbrechensbekämpfers: And you’ll never have to. Rauschend verschwindet er in die Nacht. Es geht eben nichts über einen dramatischen Auftritt.



Verfasser: Alexander Kolerus ,veröffentlicht am 20.07.2005

 

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