Miszellen


Daniel Krause

Abbado

Zwei Musiker ragen heraus: Furtwängler, Toscanini. Dieser ist Klarheit,
Prägnanz; straffe Tempi, trockener Klang ohne Schlacken. „Cantare“ ruft er
den Musikern zu: Verdi als Maß aller Dinge. Jener schafft fülligen
Mischklang, weich konturiert. Die Tempi, oft breit, werden elastisch
gedehnt, stets nach harmonischer Dichte und emotionalem Gehalt der Musik.
Wagner, Brahms, Bruckner, die späte Romantik sind Furtwänglers Maß.

Allein Toscanini scheint auf die Nachwelt zu wirken: De Sabata, Reiner,
Szell, Solti, Maazel, Muti. Von Celibidache und Barenboim abgesehen, nimmt
keiner sich Furtwängler zum Vorbild. Der scheint obsolet, beinahe anrüchig:
diskreditiert durch romantischen Subjektivismus.

Einem gelingt die Synthese: Als Furtwänglers Nachfolger lichtet Abbado den
Klang der Berliner. Oft wird im Kammer-Format musiziert. Die Tempi sind
rasch, Phrasierungen immer gesanglich: toscanineskes Gepräge. Aber Abbado
strebt Furtwängler nach: Das Wesentliche ist hinter – und zwischen – den
Noten. In Übergängen liegt mehr als in Themen: Todesnähe hat es Abbado
gelehrt. Sinfonische Formen scheinen im Ganzen wie e i n Übergang – von
Stille zu Stille. Kein anderer macht Opern als e i n e Kadenz, e i n e n
Bewegungszusammenhang hörbar. Furtwänglers Anspruch wird eingelöst, in
toscaninesker Durchsichtigkeit. In Musik (in der Welt) ist mehr nicht zu
erreichen.


Verfasser: Daniel Krause, veröffentlicht am 24.07.2005

   
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