Banalität / Dekonstruktion / Fun / Guildo Horn / Jugendkultur / Kult / Nußecke / Schlager / Selbstinszenierung / Trash


Rainer Topitsch

Eine Nußecke ist eine Nußecke
Guildo Horn und die Dekonstruktion des Kultes
(Aktualisierte Fassung)

Abstract: Der Schlagersänger Guildo Horn hat sich selbst als mediales Kunstprodukt entworfen und dabei einen immensen Kult um seine eigene Person erzeugt. Als er Ende Februar 1998 mit dem Lied "Guildo hat Euch lieb" bei der deutschen Vorentscheidung für den Grand Prix d'Eurovision de la Chanson antrat, sorgte seine enthusiastische Anhängerschaft für seinen Sieg. Anfang Mai 1998 beim Grand Prix selbst reichte es immerhin für den siebten Platz. Der durch mediale Strategien erzeugte Kult um Guildo Horn besitzt gegenüber herkömmlichen Kulten eine neue Qualität, es handelt sich um einen dekonstruierten Kult.

Während die Cyborgs gegenwärtig immer menschlicher werden, werden die Menschen immer mehr zu Kunstprodukten. Guildo Horn hat sich selbst als mediales Kultobjekt erschaffen: Seine Existenz besteht aus Fernseh- und Zeitschriftenbildern, aus Texten und Büchern, aus Liedern und Bühnenauftritten. Wenn er von Liebe und Zärtlichkeit singt, ist er die personifizierte Übertreibung der Schlagerstars der siebziger Jahre, deren Stil, Mimik und Posen er vollständig beherrscht. In der Person Guildo Horns (so wie wir sie aus den Medien kennen) verschmelzen Leben und Kunst. Er hat um sich herum eine neue Wirklichkeit entstehen lassen, eine surreale Welt erschaffen, in deren Mittelpunkt er selbst - im Königsgewand - steht und in der die Jüngerschar sich wie die Schlagersänger der siebziger Jahre stylt, James Last hört und Nußecken ißt - jenes Gebäck, das gleichsam als Manna fungiert und am Tage des Grand Prix in allen deutschen Bäckereien ausverkauft war. Diese Art von kultischen Handlungen ist aber nur eine "kleine Welt des Glücks", wie Guildo Horn sagen würde, während der traditionelle Kult noch das ewige Glück versprach.

Wir kennen Kulte aus der Religion und aus der Politik. In der Religion werden Personen zum Gegenstand des Kultes, die anscheinend Zugang zu einer anderen, besseren Welt haben, die sie verkörpern. Sie dienen als Mittler zwischen dieser und jener Welt. Die jenseitigen Welten, die von den Religionen kultisch verehrt werden, sind Welten ewiger Harmonie, der Einheit mit Gott, kurz: des Schönen, Wahren und Guten. Mittels Gottesdiensten und ähnlichen Veranstaltungen wird das Jenseits inszeniert, das somit zwar nicht vollständig erfahren wird, aber zumindest erahnt werden kann. Der politisch-totalitäre Kult hat nur scheinbar den religiösen Kult säkularisiert, er setzt weiter auf eine imaginäre Utopie, die glücklicherweise bisher niemals für längere Zeit verwirklicht wurde, er setzt auf Identität, auf die Einheit des Volkes, der Arbeiterklasse, eine Welt des Schönen, Wahren und Guten, die mittels bedingungsloser Verehrung des "Führers" oder der "Partei" zu erreichen sei. Zu diesem Zweck errichtet man monumentale Bauwerke, inszeniert man Massenaufmärsche, schaltet man die Medien gleich. Die Folgen davon sind bekannt.

Seit dem Erscheinen der Popstars etwa in der Mitte des 20. Jahrhunderts wird der Kult radikaler säkularisiert und pluralisiert. Gegenstand der Verehrung sind nun einzelne Individuen, die einen unkonventionellen Lebensstil pflegen, besonders aussehen und in den Medien inszeniert werden: Marilyn Monroe, Elvis Presley, James Dean. Diese frühen Popstars verkörpern aber immer noch das Konzept personaler Identität, sie repräsentieren ein spezifisches, stabiles Konzept von absoluter Männlichkeit oder Weiblichkeit, von moralischer Integrität, Protesthaltung und Coolness, sie repräsentieren immer noch einen identischen Sinn. Auch bei Beatlemania und ähnlichen Erscheinungen bis hin zu hysterischen Anfällen pubertierender Mädchen anläßlich von Auftritten der "Backstreet Boys" handelt es sich um Kulte, die auf die Schönen, Wahren und Guten zielen. Die traditionellen Popstars sind ehrlich, natürlich und authentisch. Sie müssen noch verbergen, daß sie bloße Medienprodukte sind. Indes kommen auch Popstars nicht ohne religiöse Attitüden aus: Michael Jackson inszeniert sich in seinen Videos als eine Art religiöse Erlösungsgestalt, bei Madonna ist der Bezug schon im Namen gegeben, selbst wenn diese postmoderne Göttin ihre religiösen Anspielungen dann schon ironisiert.

Guildo Horn ist weder schön, noch wahr, noch gut. Er hat eine unmögliche Frisur, seine Lieder sind pure Lügen, seine Auftritte eine Provokation - freilich nur eine kleine Provokation, nämlich für das Schlagergeschäft; aber sind heute große Provokationen überhaupt noch möglich? Jeder weiß, daß er ein bloßes Medienprodukt ist. Dennoch wird Guildo Horn von seiner Anhängerschaft enthusiastisch gefeiert und verehrt. Was sich hier abzeichnet, ist eine gleichzeitige Destruktion und Konstruktion, also eine Dekonstruktion des Kultes - die Zerstörung des Kultes im traditionellen Sinne und die Etablierung eines Kultes im "postmodernen" Sinne. Die Idee des Kultes als eine Handlung, die sich auf ein identisches und umfassendes Jenseits bezieht, wird destruiert, um gleichsam aus den Trümmern einen neue Art von Kult zu konstruieren. Im Medienzeitalter kann potentiell jeder zum Kultstar werden, der es versteht, die Mittel der Medien für die eigene Selbstinszenierung zu nutzen. Kein Kult kann mehr einen Absolutheitsanspruch aufrechterhalten, da es im Zuge der Ausweitung der Medien zu einer Inflation der Kultstars kommt. Daß Guildo Horn vor allem auch bei Intellektuellen Anklang findet, mag gerade daran liegen, daß er die "postmoderne" Philosophie der Dekonstruktion der Metaphysik verkörpert.

In der Tat sind die langweiligsten Popstars diejenigen, die kundtun, daß sie nur Musik machen wollen und sonst nichts, daß sie ehrlich, wahrhaftig und nicht künstlich sind. Der dekonstruierte Kult entstammt dagegen der Lüge. In diesem Sinne ist Guildo Horn der Inbegriff des dekonstruierten Popstars. Er versucht überhaupt nicht mehr zu verbergen, daß er lügt. Einerseits verkörpert Guildo Horn so wahrhaftig den deutschen Schlager, daß man ihm in einem Akt der kurzfristigen Selbsttäuschung glaubt, andererseits glauben wir Guildo Horn nicht, weil er sich im nächsten Moment durch maßlose Übertreibung selbst relativiert. Guildo Horns Inszenierung wird dadurch interessant, daß sie zugleich authentisch und relativierend wirkt. Die Grenzen zwischen Parodie und Nicht-Parodie sind verwischt. Guildo Horn selbst sagt im "Spiegel", daß er sich über den deutschen Schlager lustig mache, "weil ich mich so wohl darin fühle." Dies ist das Ende der Notwendigkeit, daß Kultfiguren eine identische Botschaft repräsentieren sollen. Der Kult beinhaltet seinen eigenen Anti-Kult.

Der dekonstruierte Kult ist radikal diesseitig, indem er sich auf vollkommen Banales bezieht. Er transportiert dennoch religiöse Konnotationen, indem er diese Banalität in höchstem Maße kultisch verehrt. Der dekonstruierte Kult ist also nur paradox denkbar. Die religiösen Konnotationen sind auch bei Guildo Horn, der eigenen Angaben zufolge Marienerscheinungen hat, unübersehbar: Er wird von seinen Jüngern "Meister" genannt. Er ist der Befreier, der uns vom Mief des deutschen Schlagers befreit. Guildo Horn führt einen "Kreuzzug der Zärtlichkeit", er sieht sich selbst - wie Jesus - als "Menschenfischer". Er leidet für uns, wenn er sich einen Abend vor dem Auftritt zur deutschen Grand-Prix-Vorentscheidung aus Versehen Rheuma-Creme in die Augen schmiert (wobei niemand daran zweifelt, daß es sich um einen PR-Gag handelt): "Guildo hat alles für uns gegeben - und sich dabei mit Rheumasalbe verletzt - aber er hat sich nur an seiner Hornhaut wehgetan", kommentiert ein Fan, "Guildo ist eigentlich unverwundbar." Guildo Horns berühmtestes Lied heißt: "Guildo hat Euch lieb." Er liebt uns, wie Gott uns geliebt hat. Wie Gott ist er uns so fern und gleichzeitig so nah: "Da wär' ich so gern, wär' den Sternen nicht mehr allzu fern. Von dort schicke ich Euch meinen Liebesbeweis: Nußecken und Himbeereis." (Aus "Guildo hat Euch lieb") Da aber Guildo Horns Botschaften aufgrund ihrer paradoxen Struktur durchaus offen für Interpretationen sind, hat der Meister auch Sympathisanten innerhalb der Kirche. So beschäftigt sich am Abend des Grand Prix das "Wort zum Sonntag" wohlwollend mit Guildo Horn, das somit selbst etwas für seinen Kultstatus getan hat.

In seinem Buch "Danke! DER MEISTER plaudert aus dem Nähkästchen" berichtet Guildo Horn von seiner Dekonstruktion des Begriffes der Wahrheit, die er erkannt habe und die er seinen Jüngern offenbart: "Ihr werdet ein Teil der Wahrheit, indem ihr mir folgt, falls ihr mir noch folgen könnt." Die Wahrheit lautet: "WIR LEBEN IN EINER SCHNELLEBIGEN ZEIT!". Die Wahrheit ist also, daß sich die Wahrheit ständig ändert. Aber selbst diese Wahrheit wird von Guildo Horn relativiert; er hat sie nämlich von einer älteren Dame in einem "sogenannten Schnellrestaurant" erfahren, die zufällig am selben Tisch wie er saß. "Gehet also hinaus in die Welt zu den Menschen dieser Zeit und sagt es ihnen. Sagt ihnen 'Wir leben in einer schnellebigen Zeit.'" Guildo Horn verspricht angesichts dieser Erkenntnis auch die Rettung durch eine wunderbare Kraft: "Eine Kraft mitten unter uns, ja, eine Kraft sogar aus Fleisch und Blut. Ich verkünde euch, wer diese Kraft ist. Ich sage nur ein Wort: MUTTER."

Die Horn-Gemeinde zelebriert kultische Handlungen - auf Konzerten und auf Parties. Zu einem kultischen Ritual gehört die Verkleidung: Perücken, Hornbrillen und Brusthaartoupets. Dazu gehört die Anrufung des Heiligen: "Meister, Meister"-Sprechchöre den ganzen Abend. Dazu gehören Handlungen, die im alltäglichen Kontext völlig sinnlos sind, etwa das Werfen mit Nußecken. Dazu gehören ekstatische Tänze und das gemeinsame Singen von Liedern (z.B. "Wunder gibt es immer wieder" von Katja Ebstein). Dazu gehören Ausrufe von Wörtern ohne feste Bedeutung wie "Hossa" (vgl. die biblische Praxis des Zungenredens oder den Ausdruck "Halleluja"), das ja bekanntlich Rex Gildo in seinem Lied "Fiesta Mexicana" verwendete, obgleich das Spanische ein solches Wort nicht kennt. Die Inszenierung des "Gottesdienstes" als Party repräsentiert kein Jenseits, kein gesellschaftliches Paradies, keine eigentliche Party. Die Party ist schon vollkommen das "Jenseits". "Nußecken und Himbeereis stehen für Nußecken und Himbeereis", sagt Guildo Horn tiefsinnig. Das stimmt natürlich nicht ganz: Wenn Guildo Horn seine Nußecken an die Gläubigen verteilt, dann geschieht dies unter bewußter Anspielung auf das Abendmahl, und somit bedeutet die Nußecke mehr als sich selbst. Im Gegensatz zur Hostie symbolisiert sie aber kein metaphysisches Dahinter, keine tiefere Bedeutung.

Der Guildo Horn-Kult konnte nur durch eine präzise geplante Medienstrategie geschaffen werden. Durch eine umfassende Kampagne vor der deutschen Grand Prix-Vorauswahl hat es PR-Manager Johannes Kram ermöglicht, daß Horn wochenlang in Radio, Fernsehen und Presse präsent war. Die Teilnahme Guildo Horns am Grand Prix wurde zum Skandal hochstilisiert, und selbst die Negativ-Berichterstattung in der "Bild-Zeitung" war für Horn nützlich, weil es darauf ankommt, überhaupt wahrgenommen zu werden, egal wie. "Johannes Kram und sein Team hatten ihn (einen Negativ-Artikel in der Bild-Zeitung) selbst geplant. Exklusiv arbeiteten sie mit dem Blatt zusammen, dessen Reporterin ihm sogar die Haare föhnen darf." (Süddeutsche Zeitung) Guildo Horn gewann die deutsche Vorentscheidung zum Grand Prix nicht zuletzt deshalb, weil seine Fans mit Handys ausgestattet waren, so einen technologischen Vorteil hatten und besser bei "TED" durchkamen. Inzwischen ist Guildo Horn in den Medien umfassend präsent; der Erfolg der Kampagne: Acht Millionen Zuschauer sahen die deutsche Vorauswahl, zwölf Millionen den Grand Prix selbst.

Die umfassende Medialisierung der Welt erlaubt erst die Schaffung einer künstlichen Person, die in höchstem Maße authentisch wirkt und gleichzeitig diese Authentizität als Künstlichkeit entlarvt. Durch die universale Präsenz der Medien wird der sinnliche Eindruck der präsentierten Realitäten verstärkt: Guildo Horn existiert wirklich. Durch die Pluralisierung innerhalb der Medienwelt werden wir dagegen mit den unterschiedlichsten Botschaften konfrontiert. Nichts besitzt mehr absolute Gültigkeit, jede Botschaft wird widerrufen. Es kommt geradezu zu einer Inflation der Kultstars, von denen keiner mehr den Anspruch auf eine ewige Wahrheit aufrecht erhalten kann. Vielleicht wäre Guildo Horn in früherer Zeit noch ein Heiliger geworden, an den man wirklich glaubt; das ist heute kaum mehr möglich: In der Medienwelt existieren nur noch dekonstruierte Heilige: Nina Hagen als Parodie und Anti-Parodie der Esoterik, Helge Schneider als universaler Dilettant, Harald Schmidt, der das Trinken von deutschem Wasser zur kultischen Handlung erklärt, und auch Verona Feldbusch, die sich über ihre eigene Dummheit und Naivität lustig macht. Feldbusch über sich selbst in der Zeitschrift "TV Spielfilm": "Natürlich hat man früher gesagt: 'Sie kann nicht bis drei zählen (...)', aber das find' ich ja selber lustig. Ich habe mich nie gerechtfertigt, was meine Doofheit betrifft." Frauen dürfen wieder schön und dumm sein, jedenfalls auf dekonstruktivistische Art und Weise.

Man hat den Kult um Guildo Horn von kulturkonservativer Seite kritisiert. Thomas Assheuer beklagt in der "Zeit" vom 7. Mai 1998 anläßlich dieses Kultes griesgrämig die Absenz von Tradition und Utopie, die Bejahung der gegenwärtigen gesellschaftlichen Wirklichkeit. Guildo Horn repräsentiere somit eine Religion des Konsums, der Ökonomie und des Wettbewerbs. "Guildo Horn, der traumlose Tänzer mit der Nußecke in der Seele, verspricht, nichts mehr zu versprechen, nur sich selbst. Gott ist tot. Nur einer ist noch da. Einer liebt euch. Ich bin mitten unter euch. Ich, Vatermutter Guildo." Assheuer kann freilich nur in absoluten Kategorien denken, zumal er selbst die relativistische Gesinnung verwirft; er sieht nicht, daß Guildo Horn genau das destruiert, was er repräsentiert. Assheuer verschweigt, daß gerade das absolute utopische und historische Denken in den Totalitarismus geführt hat, wenn er anläßlich der seiner Meinung nach um sich greifenden Banalität sogar die Demokratie gefährdet sieht. Demokratie ist aber nur in einer pluralistischen Gesellschaft möglich, d.h., sie kann nur in einem ständigen Prozeß der Dekonstruktion absoluter Positionen funktionieren. Natürlich löst der Kult um Guildo Horn nicht die sozialen Probleme Deutschlands, wie Assheuer kritisiert; sein Artikel impliziert indes, daß eine umfassende Rezeption von Walter Benjamin oder anderer Repräsentanten der Hochkultur genau dies ermögliche; schleicht sich hier die zur Vordertür geworfene Trivialität durch die Hintertür wieder ein?

Guildo Horn repräsentiert keine metaphysische Idee mehr, er repräsentiert allenfalls das kleine Glück, das man in letzter Zeit mit dem von kulturkonservativen Kreisen (zu denen auch unverbesserliche 68er gehören) so verachteten Begriff "Fun" belegt. "Die Rebellion ist tot", sagt Guildo Horn im "Spiegel"-Interview, "ich verändere die Sachen so, wie ich sie haben möchte. Außerdem gibt es viele Dinge, die man von der älteren Generation lernen kann: Höflichkeit und Anstand zum Beispiel." ("Ich mach' mir die Welt, wie sie mir gefällt", sagt "Pippi" Feldbusch.) Wer sich in den Medien selbst so darstellen kann, wie er will, muß nicht mehr auf die Epoche warten, in der sich der Sozialismus oder dergleichen verwirklicht haben wird. Die Anhänger Guildo Horns wissen, daß es völlig sinnlos ist, sich für den "Meister" in rituellen Sympathieveranstaltungen zu engagieren: Man sichert sich dadurch nicht das eigene Seelenheil und man errichtet dadurch keine neue Gesellschaft. Der Guildo Horn-Kult ist völlig unverbindlich, er verpflichtet zu nichts. Kein Fan würde für Guildo Horn in den Krieg ziehen - das mag die tröstliche Botschaft für die Kulturkonservativen sein. Der "Kreuzzug der Zärtlichkeit" wird allein medial geführt. Die "Fun"-Generation hat sich wieder "Liebe" auf die Fahnen geschrieben, selbst wenn niemand mehr wirklich an die Liebe in einem romantischen, überhöhten Sinne glaubt: "Ich denk' gern zurück an die Zeit voller Harmonie und Glück, als ich täglich in ein Poesiealbum schrieb: Piep, piep, piep, ich hab' Dich lieb." (Aus "Guildo hat Euch lieb")

Der dekonstruierte Kult richtet sich zwar immer noch auf eine "andere" Wirklichkeit, aber auf eine, die von den Medien erschaffen wurde. Da man sich aber zunehmend der Künstlichkeit dieser Medienwelt bewußt wird, besteht kein Anlaß mehr, diese "andere" Realität und ihre Vermittler in einem absoluten Sinne zu verehren. Kult ist nunmehr nur noch als selbstironische, sich selbstdementierende Handlung möglich. Man kann den deutschen Schlager wirklich nicht als ein Reich der Utopie sehen, da wir aber keine andere Utopie als den "Schlagerhimmel" mehr haben, tun wir es doch, selbst wenn wir uns dann nicht mehr ernst nehmen. Ist dies der Untergang? Einer der Vorgänger Guildo Horns, nämlich der Dadaist Johannes Baader (über den an anderer Stelle in den "Medienobservationen" berichtet wird), hat darauf aufmerksam gemacht, daß alle absolute Utopien nicht zuletzt Orte der Langeweile bezeichnen. Schon deshalb sollte man ein Plädoyer für den Kult um Guildo Horn halten.



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