Soap Opera / Cliffhanger / Serialität / Daytime Serial / Prime Time Serial Sexualität / Continiuity Editing / Ikonographie / Jugendlichkeit / Zopfdramaturgie


Andreas Hummel

Kennzeichen der "Soap Opera".
Zur unterschiedlichen Aktualisierung in deutschen und amerikanischen Fernsehserien



Abstract: Die "Soap Opera" ist als fiktionale Familienserie in ein weitreichendes Bezugssystem eingebunden: In ihr spiegelt sich nicht nur unterschiedliche Wertehaltungen einzelner Gesellschaften - auch Charakteristika populärer Film- und Femsehgenres werden miteinander kombiniert. Der Aufsatz untersucht am Beispiel repräsentativer amerikanischer und deutscher "Soap Operas" die Kontinuität und den Wandel inhaltlicher und dramaturgischer Elemente, wobei besonders die Darstellung gruppenspezifischer Handlungsweisen im Mittelpunkt steht.

Serialität ist das Grundprinzip des Fernsehens. Untersucht man die einzelnen Programmformen und -genres, die sich in der bisherigen Fernsehgeschichte gebildet haben, wird man immer wieder auf die im Prinzip unendliche Wiederholung dramaturgischer Rahmenstrukturen aufmerksam werden, die inhaltlich leicht variiert werden können.

Die "Soap Opera" erweitert dieses Prinzip insofern, als daß sie das (Serien-)Leben selbst als dramaturgische Struktur aufnimmt und damit ein Kontinuum schafft, das sich einerseits weiterentwickelt, andererseits immer auch Bezug nimmt auf die bislang gezeigte Handlung. Dieser rückwertig gerichtete Blick geht dabei über das Wiederkäuen eines bestimmtem Inhalts hinaus. Mit schöner Regelmäßigkeit werden sogenannte "standard-plots" wie das Vaterschaftsproblem oder die Dreieckskonstellation zwischen zwei Männern und einer Frau, aufgegriffen und auf eine für den "long time viewer" vertrauten Art und Weise durchgespielt, was bedeutet, daß möglichst alle potentiellen Konfliktpotentiale auch anzitiert werden. Diese kontinuierliche Verweisung auf die eigenen Mechanismen der Spannungserzeugung bilden den allseits präsenten "sub plot" der "Soap Opera"-Handlungen. So entsteht ein "Fluß des Lebens", der sich in seiner Balance zwischen Spannung und Entspannung oder Ernsthaftigkeit und Harmlosigkeit möglichst geschmeidig in den Alltagsrhythmus der Zuschauer einpaßt und deren Erwartungshaltung immer wieder aufs Neue herausfordert und bestätigt.

Ausgehend von den USA, dem Ursprungsland der "Soap Opera", haben sich neben dem übergeordnetem Rahmen der Endlosdramaturgie zwei erzählerische Konstruktionen als besonders kennzeichnend erwiesen: die "Zopfdramaturgie" und der "Cliffhanger". Auf den kleinsten Nenner gebracht, bilden sie das Grundgerüst einer jeden "Soap Opera". Die "Zopfdramaturgie" sorgt in der Überschneidung der einzelnen Handlungsstränge für die so wichtige handlungsverlangsamende Multiperspektivik und bildet damit die vertikale Achse, während der eingefrorene Spannungsmoment des "Cliffhanger" auf das Fortsetzungsprinzip, also die horizontale Achse verweist. Bei letzterem lassen sich in der unterschiedlichen Behandlung der Zeitdimension bereits erste Variationen erkennen, die auch landesspezifisch geprägt sind.
Während es in einer "Soap Opera" wie der deutschen Lindenstraße als besonders realistisch gilt, zwischen Zuschauerzeit und Serienzeit auch in technischer Hinsicht eine Übereinstimmung zu schaffen, ist dieser Aspekt in "Soap Operas" amerikanischer Prägung völlig irrelevant. Dementsprechend ergibt sich bei diesem Serientyp zwischen dem "Cliffhanger" und Beginn der nächsten Folge nur für den Zuschauer eine Zeitspanne, nicht aber für die Charaktere.

Das belegt, daß der Realismus amerikanischer Familienserien vor allem emotionaler Natur ist, worauf auch Ien Ang in ihrer Abhandlung über das "Prime Time Serial" Dallas hinweist. Besonders deutlich kann das Spiel zwischen "Extend Time" und "Landmark Time" im Falle einer Schwangerschaft sein. Diese kann beliebig über den festgelegten Zeitraum von neun Monaten andauern, wenn die dramaturgischen Verzahnungen es so erfordern.

Nochmals den "emotionalen Realismus" aufgreifend, läßt sich damit ein Hinweis auf das Bewußtsein der Serienmacher gegenüber ihrer künstlich verfremdeten Weltsicht erkennen, die nie den Anspruch impliziert, einen möglichst umfassenden Mikrokosmos der Gesellschaft repräsentieren zu wollen, sondern ihre scheinbare Authentizität über die Gefühlsstruktur zwischen Mann und Frau gewinnt.

Die Zentrierung der Geschichten um weibliche Heldinnen hat in Amerika schon eine lange Tradition, die bis in das 19. Jahrhundert zurückreicht. In den "Domestic Novels" dieser Zeit liegt der Akzent allerdings auf einem moralischen Impetus. Die Frau hat häuslich, mütterlich und auch anspruchslos zu sein. Demzufolge bildete die intellektuelle, geschäftstüchtige Frau das Gegenbild zur "good woman". Es festigte sich damit eine Dichotomie, die bis in die heutigen Familienserien hinein Bestand hat. Man denke nur an das Gegensatzpaar Krystle und Alexis aus Dynasty, oder, um ein deutsches Beispiel zu nennen, Inge Busch und Teresa aus dem Marienhof. Auffallend dabei ist, daß sich die negative Konnotierung eines instrumentell orientierten Frauentyps bis heute gehalten hat. Bestätigt wird damit jene schematische Moralität in "Soap Operas", wonach der Verstoß gegen ein traditionelles Rollenmuster, automatisch die Diskreditierung oder sogar Bestrafung der betreffenden Person zur Folge hat.

Auch in der nächsten Entwicklungsstufe des amerikanischen "Daytime Serials", den "Film Chapter Plays" spielt sich die weibliche Aktivität, in diesem Fall vor allem die physische Bewältigung gefährlicher Situationen, auf einer eher vordergründigen Ebene ab. Wird es wirklich brenzlig für die Heldin, muß der Mann eingreifen.

Vollends zum mütterlichen Typus kehrte man in den "Radio Soap Operas" zurück, die in ihrer deutlich kommerziellen Ausrichtung den bestimmenden Rahmen der späteren TV-"Daytime Serials" vorwegnahmen. Die Lösbarkeit aller häuslichen Probleme wurde einfach und eindeutig an die Produkte der Sponsoren geknüpft. Eingeführt wurden in dieser Zeit, den frühen 30er Jahren, jene "Soap Operas", die rund zwanzig Jahre später, den Sprung in das Fernsehen schaffen, und zum Teil noch heute existieren, so beispielsweise die zunächst religiös bestimmte Familiensaga The Guiding Light des Waschmittelkonzerns Procter & Gamble.

Im Lauf der Jahrzehnte läßt sich bei diesen Daytime Serials insofern ein Transformation feststellen, als die Faszination an Reichtum und Erfolg in immer stärkerem Maße in den Vordergrund tritt und damit die Porträtierung der einfachen Amerikaner ablöst. Eine Entwicklung, die gleichermaßen einem veränderten Unterhaltungsverständnis Rechnung trägt, wie auch der Forderung der "Soap Opera" nach einer vorwiegend emotional bestimmten Handlung entgegenkommt. Denn die intensive Beschäftigung der Protagonisten mit partnerschaftlichen Problemen ist auch deshalb möglich, weil deren Existenzsicherung nie in Frage gestellt wird. Insofern trifft das Etikett der leisure class in vollem Maße zu. Wird dennoch ein Einblick in die Arbeitswelt gewährt, werden vorzugsweise Bereiche ausgewählt, die, wie das Krankenhaus, bereits eine zwischenmenschliche Dramatik implizieren oder Bereiche, die sich als Arena für Machtkämpfe eigenen, wie die gestylten Büroräume der Hochfinanz in "Soap Operas" wie The Guiding Light.

Vergleicht man die Entwicklung des amerikanischen "Daytime Serials" mit den deutschen Familienserien der Nachkriegszeit, läßt sich nur eine kurze Phase der Übereinstimmung im Hinblick auf die Porträtierung der Mittelstandsfamilie erkennen. Während dann die US-"Soap Operas", wie beschrieben, gerade auf den Kontrast zwischen Zuschauerschaft und Protagonisten als Unterhaltungsanreiz bauten, blieben sich die deutschen Serien in ihrer Spiegelung des einfachen Lebens treu. Eine Serie wie Unsere Fernsehnachbarn heute Abend:
Die Familie Schöllermann trägt bereits im Titel das intendierte Zuschauerverhältnis. Die patriarchal strukturierte Familie, die nur geringfügigen innerfamilären Schwierigkeiten ausgesetzt ist und immer wieder zu einem Happy-End findet sowie der betont schlichte Inszenierungsstil, lassen sich deutlich als Elemente einer didaktisch geprägten Alltagsmimesis erkennen, in der, der Stimmungslage der Restaurationszeit folgend, die Familie als "allzeit funktionstüchtige, stabile Einheit, als gesunder Organismus" (Günter Giesenfeld) idealisiert wird.

Im Unterschied zu Amerika, vollzog sich (noch) nicht die Wandlung der Familienserien zu "High Society"-Serien. Vielmehr tendierte die Entwicklung hin zu sozialkritischen Serien, die Widersprüchlichkeiten in der wirtschaftlich erstarkten Bundesrepublik thematisierten, wie es in Fassbinders "Acht Stunden sind kein Tag" der Fall ist. Diese Geisteshaltung, die in Zusammenhang steht mit der sozial-liberalen Koalition am Ende der 60er Jahre sowie dem Versuch der Neudefinition gesellschaftlicher Werte zu dieser Zeit, prägte eine Serienform, die von amerikanischen "Soap Operas" abhebt.
Zeitgeschichtlich kann das, wenn auch kurze Aufflackern eines kritischen Bewußtseins in den Serien der 70er Jahre, auch in dem Willen zu einem "objektiven Blickwinkel" nach der anfänglichen Verdrängung des Dritten Reiches begründet gewesen sein.

Insofern ist die Konzeption der Lindenstraße als antikapitalistischer und damit auch antiamerikanischer Gegenentwurf nur logisch. Als Vorbild diente 1985 nicht das US"Daytime Serial", sondern das britische "Early Prime Time Serial", namentlich die Serie Coronation Street. Wieder wird wie bei den Schöllermanns Lebensnähe und Aktualität als Ideal hervorgehoben, was sich in einer fast ebenso pedantischen Realzeittreue wie auch in der Schaffung eines archetypischen deutschen Mikrokosmos zeigt. Der Unterschied zur früheren Serie besteht nun in der massiven Miteinbeziehung gesellschaftlicher und politischer Problemfelder.

War in der Nachkriegszeit noch die Idylle der Status quo, ist es jetzt eine extreme Problemorientiertheit. So läßt sich das Serienkonzept der Lindenstraße darauf verkürzen, daß alles, was potentiell an Konfliktentwicklungen zwischen Partnern und Mietparteien passieren kann, auch passiert. Diese oft auch voyeuristische Moralität aus der Perspektive des Zuschauers, war spätestens dann nicht mehr vorbildhaft als man in Deutschland die "Soap Opera" als Wirtschaftsfaktor entdeckte und damit die konsumstarke Zuschauergruppe zwischen 14 und 29 Jahren.

Die "Soap Opera" Gute Zeiten, schlechte Zeiten, ab 1992 auf RTL ausgestrahlt, importiert ein jugendliches Lebensgefühl, dessen betonte Unkonventionalität sich in einer standardisierenden modischen Kleidung, einer Fetischisierung durch Accessoires wie auch einer codierten Ausdrucksweise zeigt. Ähnlich wie in amerikanischen "Daytime Serials" wird ein nach außen hin hermetischer Handlungsraum erzeugt, der jeden allzu konkreten Wirklichkeitsbezug von vornherein ausschließt. Der Schwerpunkt liegt auf der Selbstinszenierung der jugendlichen Protagonisten, die jeweils zwischen Schule, Jungkarriere und Liebesabenteuer hin- und herpendeln. Unzweifelhaft spiegeln sich in den so dargestellten Charakteren deutsche Jugendliche, deren mangelnde Verständigung mit der Elterngeneration zur Schaffung einer nach außen hin abgeschirmten Ikonographie beiträgt.

Der Unterschied dieser zeitgenössischen deutschen "Soap Operas" zu den "Daytime Serials" in den USA ist sowohl moralischer, wie auch ikonographischer Art. Wie oben schon skizziert, hat die Porträtierung der patriarchal aufgebauten Familie in der amerikanischen Fiktion schon eine lange Tradition. Das bestimmende Rollenmuster von Mann und Frau ist dabei das Zentrum einer reglementierten Familienordnung, die von jedem Einzelnen verlangt, sich familiären Interessen unterzuordnen. Ebenso ist auch das innere Gefüge einer Familie von konservativen Normen bestimmt. So kann kein Angehöriger einer ethnischen Minderheit, was vor allem die Farbigen betrifft, je vollwertiges Mitglied einer Familie werden.
Diese tendenziell rassistische Ausgrenzung muß auch in Zusammenhang gesehen werden mit einer standardisierten Attraktivität der Charaktere, die in ihrer Betonung geschlechtsbezogener Merkmale, ein herkömmliches Schönheitsideal gewissermaßen übersteigern.

Diese Elemente sind wesentlich für das unterschwellige Ideal der Sauberkeit und Weichheit in amerikanischen "Soap Operas", das gleichermaßen auf materiellem Reichtum und deren Repräsentanz beruht wie auch auf dem Selbstverständnis, einer heraus gehobenen Schicht anzugehören. Geschaffen wird damit eine Welt, die in ihrer normierten Ästhetik immer auch etwas theatral Statisches an sich hat und den Zuschauer immer in der beruhigenden Gewißheit läßt, das die Probleme allzu schlimm nicht werden können.

In ähnlicher Weise, wie das bei den jugendbetonten deutschen "Soap Operas" der Fall ist, lassen sich auch bei dieser Form amerikanischer Familienserien, Rückschlüsse auf die Zusammensetzung der Hauptzuschauerschaft machen.
Glaubt man den Medienanalytikern, so werden US-"Daytime Serials" nach wie vor in erster Linie für die mittelständische Hausfrau produziert, also dem gleichen Zielpublikum, das schon den ersten "Radio Soap Operas" lauschte.

Ableiten ließe sich dadurch die auffallende Kontinuität konservativer Normen in den verschiedenen Entwicklungsphasen der amerikanischen "Soap Opera", die man mit dieser Zuschauergruppe verknüpft. Doch kann dies nicht als einziger Erklärungsansatz dienen. Forscht man tiefer, läßt sich als das spezifisch Amerikanische neben der "Homogenität des Mittelstandes", der zum Ausdruck gebrachte Leistungsgedanke und die Mythisierung der Sexualität erkennen. Besonders letzteres erfordert eine eingehendere Betrachtung, ist doch die Sexualität der am genauesten untersuchte Aspekt amerikanischer "Soap Operas". Bedenkt man deren minimale Visualisierung und Verbalisierung, tritt ein merkwürdiges Mißverhältnis hervor. Eine Faszination am Tabuisierten und die Reflexion gesellschaftlicher Normen an der Grenzlinie zwischen gesellschaftlich akzeptablem und nicht akzeptablem Verhalten, lassen sich als Motivationen der Medienanalytiker erkennen. Zum Ausdruck kommt dabei der unausgesprochene Moralkodex des amerikanischen Puritanismus, der das Einlassen auf jegliche Genüsse verbietet, aber gerade dadurch deren Reiz als etwas Verbotenem erhöht.

Anders in deutschen "Soap Operas": Diese Serien sind kontextuell nicht nur in den täglichen Programmablauf, sondern auch in eine medial gestützte, als zeitgemäß propagierte Lebenshaltung eingebunden. Eine Lebenshaltung, die unter den Leitbegriffen "offen" und "locker" bislang geltende Tabuzonen einfach negiert. Das gilt vor allem für die Thematisierung der Sexualität. In Talkshows wird versucht, diesem Thema verbotene, geheime Aspekte abzugewinnen, die in Kontrast zu einer bürgerlichen Moralvorstellung stehen. In "Soap Operas" wird die Sexualität mit einer ähnlichen Selbstverständlichkeit abgehandelt, was in Standardsätzen wie: "Ich will mit dir schlafen!" kulminiert. In beiden Fällen kennzeichnend ist der völlige Mangel an Romantik. Eine Romantik, die einerseits ersetzt wird durch eine selbstbestimmte, resignative Sichtweise, die die Endlichkeit von Beziehungen immer gleich miteinkalkuliert und den Sex als gemeinsame Absprache zur Lust ohne Verantwortung reduziert und andererseits durch die Variante des sauberen, unschuldigen Sex zwischen Jugendlichen, wobei didaktische Impulse nicht ausbleiben. Beispielhaft ist hier die Figur Mascha Gellert aus dem Marienhof, die als Verkörperung einer frischen, selbstbewußten Jugendlichkeit nicht nur vitaminreich ißt, sondern auch beim Beischlaf das Kondom für ihren Freund nicht vergißt.

Verständlicherweise ergibt sich aus einer solchen Thematisierung auch nicht jener Mythos des Intimen, Tabuisierten wie in den USA. Jene dort so entscheidende Grenze zwischen Moral und Unmoral ist in der deutschen Medienwirklichkeit bereits aufgeweicht.

Dennoch ist die bürgerliche Familie, einst das Ideal der 50er Jahre aus den aktuellen Familienserien noch nicht völlig getilgt worden, dient sie doch auch ex negativo dazu, die Unbefangenheit der Jugendlichen hervorzuheben und, wenn man den Marienhof als beispielhaft ansieht, soziale Problemstrukturen aufzuzeigen.
So entsteht gerade in dieser Serie eine Mischung zwischen mediengerechter Coolness und dem Einblick in ein mittelständisches Milieu, das wie im Falle der Familie Poppel auch proletarische Züge aufweisen kann.
Im Handlungsstrang um den alkoholsüchtigen Wirt Heinz Poppel (Juni-Juli 1996) läßt sich demonstrieren, wie sozialkritische Bezüge aktualisiert werden. Nicht der neutrale Blick auf eine menschliche Problematik wird angestrebt. Weit eher wird die Welt über Chiffren, wie z.B. Pennern unter einer Brücke, greifbar gemacht, geordnet und zugespitzt und Verhaltensweisen über eine unbedingte Kausalität von Ursache und Wirkung erklärt und damit Komplexität aufs äußerste vereinfacht.

Eine Vereinfachung und Zuspitzung, die im besonderen auch filmsprachlich betrieben wird. Grundlegend ist dabei das aus der amerikanischen Serienproduktion übernommene continuity editing, die schrittweise Annäherung an Charaktere über verschiedene Einstellungsgrößen. Nimmt man erneut den Handlungsstrang um den alkoholkranken Heinz Poppel als Beispiel, werden die filmsprachlichen Konventionen insofern ausgedehnt, als eine schnelle Schnittfolge die Handlung dynamisiert und auf einzelne visuelle Codes reduziert, wie das bei dem Schuß-Gegenschuß-Verfahren zwischen der Großaufnahme von Heinz und den Schnapsflaschen der Fall ist.

Reflektiert werden damit die vorausgesetzten Sehgewohnheiten der Hauptzielgruppe, wie auch das eigene Selbstverständnis, wonach allzu Bekanntes eben transformiert werden müsse, frei nach der Einschätzung von Knut Hickethier: "Wenn der Stoff aus dem die Serie gemacht ist, nichts wirklich Neues darstellt, müssen die medialen Vermittlungsweisen den Schein des Neuen erzeugen.

Amerikanische "Soap Operas" sind, was die Präsentation des Inhalts anbetrifft weitgehend zurückhaltender, was auch im Gegensatz zu Deutschland auf das Faktum der gewachsenen Form zurückzuführen ist, die sich im Kampf um Einschaltquoten nicht mehr durchsetzen muß. So wird darauf geachtet, das Fließende der Handlung nicht durch eine allzu starke Expressivität in der Filmsprache zu gefährden und die Geschlossenheit der künstlichen (Studio-)Welt nicht durch einen allzu starken Alltagsrealismus in Frage zu stellen. Im Kern bleibt in den Daytime Serials die konservative Lebensanschauung erhalten, wonach immer noch die Familienzugehörigkeit von oberster Priorität ist. Wie jener selbstbezogene Traditionalismus kennzeichnend ist für das amerikanische Denken, so ist es auch jene Zwitterstellung zwischen eigenen und fremden Einflüssen, die in deutschen "Soap Operas" zum Ausdruck kommt. Eine Zwitterstellung, die auf Brüche und Neuansätze in der gesellschaftlichen und damit auch medialen Wirklichkeitsdarstellung verweist.

Das Phänomen der "Soap Opera" liegt in gewisser Weise auch in dem Bewußtsein der Hersteller begründet, die jeweilige Vereinfachung und Eindeutigkeit der dargestellten Welt gegen alle Komplexität und Mehrdeutigkeit der traditionellen Kunstschöpfung durchzusetzen und damit ein allgemeines Bedürfnis nach Regression und Identifikation zu kanalisieren. Nicht die Sinntiefe des Werkes ist letztlich für das Verständnis entscheidend, sondern das Wissen und die Bedürfnisse der Zuschauer, sich auf eine ungefährdete Art und Weise mit Problemstrukturen auseinanderzusetzen, und dabei eine Folie für so unterschiedliche Gefühle wie Mitleid, Freude, Abneigung und Voyeurismus zur Verfügung zu haben.



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