Daniel Krause
Dresdens Klang
Dresdens größtes Geschenk an die
Welt ist nicht ein Bauwerk, sondern ein Klang.
Die Sächsische Staatskapelle schöpft ihn aus dreierlei Quellen:
Sinfonik, Oper und Kammermusik. Ein einziges anderes Orchester pflegt
alle drei Repertoires: die Wiener Philharmoniker. Beide Ensembles zeichnet
vor reinen Opernorchestern ein Sinn für m u s i k a l i s c h e –
nicht nur dramatische – Spannungen aus; allein an s i n f o n i
s c h e m Repertoire kann man ihn schulen. Vor Sinfonieorcherstern –
auch vor den besten – die Sanglichkeit der Phrasierung und Humanisierung
des Klangs: Die O p e r lehrt beide, Balance und Obertonspektrum nach
der menschlichen Stimme zu bilden. Ihr Streicherklang strahlt, doch ohne
die Kälte Chicagos und Clevelands und Londons grelle Brillanz. Bassschwerer
„deutscher Klang“ nach Münchner und Leipziger Art und
Amsterdams uferloses Volumen sind Dresdnern und Wienern ebenso fremd.
K a m m e r m u s i k lehrt beide Ensembles z u s a m m e n zuspielen,
schlacken- und schwerelos, durchsichtig bis ins Detail. Doch einzig den
Dresdnern ist religiöse Inständigkeit eigen. Sie verdankt sich
dem pietistischen Erbe des Landes. Ihr Musizieren, voll Hingabe, gleicht
einem Gebet. „Engelsharfe“ – so nennt sie Wagner. Die
Wiener mögen mehr Farben besitzen und Klangphantasie, frivoler und
geistvoller agieren – die Dresdner spielen stets wie um Leben und
Tod. Ihr Formsinn und Stilgefühl versagt dabei nie. So schaffen sie
beides: Transparenz und Ekstase.
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